• Der Handschuh (Friedrich Schiller)
  • 45minuten
  • 21.09.2022
  • Deutsch
  • 6, 7, 8
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Der Handschuh (1797) von Friedrich Schiller

Vor seinem Löwengarten,

Das Kampfspiel zu erwarten,

Saß König Franz,

Und um ihn die Großen der Krone,

Und rings auf hohem Balkone

Die Damen in schönem Kranz.



Und wie er winkt mit dem Finger,

Auf tut sich der weite Zwinger,

Und hinein mit bedächtigem Schritt

Ein Löwe tritt,

Und sieht sich stumm

Rings um,

Mit langem Gähnen,

Und schüttelt die Mähnen,

Und streckt die Glieder,

Und legt sich nieder.



Und der König winkt wieder,

Da öffnet sich behend

Ein zweites Tor,

Daraus rennt

Mit wildem Sprunge

Ein Tiger hervor,

Wie der den Löwen erschaut,

Brüllt er laut,

Schlägt mit dem Schweif

Einen furchtbaren Reif,

Und recket die Zunge,

Und im Kreise scheu

Umgeht er den Leu

Grimmig schnurrend;

Drauf streckt er sich murrend

Zur Seite nieder.



Und der König winkt wieder,

Da speit das doppelt geöffnete Haus

Zwei Leoparden auf einmal aus,

Die stürzen mit mutiger Kampfbegier

Auf das Tigertier,

Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,

Und der Leu mit Gebrüll

Richtet sich auf, da wird's still,

Und herum im Kreis,

Von Mordsucht heiß,

Lagern die greulichen Katzen.



Da fällt von des Altans Rand

Ein Handschuh von schöner Hand

Zwischen den Tiger und den Leun

Mitten hinein.



Und zu Ritter Delorges spottenderweis

Wendet sich Fräulein Kunigund:

»Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,

Wie Ihr mir's schwört zu jeder Stund,

Ei, so hebt mir den Handschuh auf.«



Und der Ritter in schnellem Lauf

Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger

Mit festem Schritte,

Und aus der Ungeheuer Mitte

Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.



Und mit Erstaunen und mit Grauen

Sehen's die Ritter und Edelfrauen,

Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.

Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,

Aber mit zärtlichem Liebesblick –

Er verheißt ihm sein nahes Glück –

Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.

Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:

»Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,

Und verläßt sie zur selben Stunde.

Vor seinem Löwengarten,

Das Kampfspiel zu erwarten,

Saß König Franz,

Und um ihn die Großen der Krone,

Und rings auf hohem Balkone

Die Damen in schönem Kranz.



Und wie er winkt mit dem Finger,

Auf tut sich der weite Zwinger,

Und hinein mit bedächtigem Schritt

Ein Löwe tritt,

Und sieht sich stumm

Rings um,

Mit langem Gähnen,

Und schüttelt die Mähnen,

Und streckt die Glieder,

Und legt sich nieder.



Und der König winkt wieder,

Da öffnet sich behend

Ein zweites Tor,

Daraus rennt

Mit wildem Sprunge

Ein Tiger hervor,

Wie der den Löwen erschaut,

Brüllt er laut,

Schlägt mit dem Schweif

Einen furchtbaren Reif,

Und recket die Zunge,

Und im Kreise scheu

Umgeht er den Leu

Grimmig schnurrend;

Drauf streckt er sich murrend

Zur Seite nieder.



Und der König winkt wieder,

Da speit das doppelt geöffnete Haus

Zwei Leoparden auf einmal aus,

Die stürzen mit mutiger Kampfbegier

Auf das Tigertier,

Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,

Und der Leu mit Gebrüll

Richtet sich auf, da wird's still,

Und herum im Kreis,

Von Mordsucht heiß,

Lagern die greulichen Katzen.



Da fällt von des Altans Rand

Ein Handschuh von schöner Hand

Zwischen den Tiger und den Leun

Mitten hinein.



Und zu Ritter Delorges spottenderweis

Wendet sich Fräulein Kunigund:

»Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,

Wie Ihr mir's schwört zu jeder Stund,

Ei, so hebt mir den Handschuh auf.«



Und der Ritter in schnellem Lauf

Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger

Mit festem Schritte,

Und aus der Ungeheuer Mitte

Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.



Und mit Erstaunen und mit Grauen

Sehen's die Ritter und Edelfrauen,

Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.

Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,

Aber mit zärtlichem Liebesblick –

Er verheißt ihm sein nahes Glück –

Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.

Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:

»Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,

Und verläßt sie zur selben Stunde.





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Spannungsbogen



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Aufgaben:

Gruppe A: Bearbeitet die Aufgaben, indem ihr die entsprechenden Zeilen auf eurem AB ausfüllt.

1
Analysiert, wie der Löwe und der Tiger in Strophe 2 und 3 charakterisiert werden.
2
Lest euch die Strophen 1-4 durch und beschreibt, welche Erwartung Publikum und Leser vom Verhalten der wilden Tiere haben. Nennt ausgehend von der Beschreibung der Tiere Gründe für diese Erwartungen.
3
Fasst zusammen, wie das Verhalten der Tiere in Wirklichkeit in der Ballade abläuft und nennt Gründe für dieses Verhalten.

Gruppe B: Bearbeitet die Aufgaben, indem ihr die entsprechenden Zeilen auf eurem AB ausfüllt.

1
Analysiert, wie die Leoparden in Strophe 4 charakterisiert werden.
2
Lest euch die Strophen 1-4 durch und beschreibt, welche Erwartung Publikum und Leser vom Verhalten der wilden Tiere haben. Nennt ausgehend von der Beschreibung der Tiere Gründe für diese Erwartungen.
3
Fasst zusammen, wie das Verhalten der Tiere in Wirklichkeit in der Ballade abläuft und nennt Gründe für dieses Verhalten.

Gruppe C: Bearbeitet die Aufgaben, indem ihr die entsprechenden Zeilen auf eurem AB ausfüllt.

1
Lest euch die Strophen 5 und 6 durch und beschreibt, welche Erwartung Publikum und Leser vom Verhalten des Fräulein Kunigundes gegenüber dem Ritter Delorges eigentlich haben. Nennt Gründe für diese Erwartungen.
2
Fasst zusammen, wie das Verhalten des Fräulein Kunigundes gegenüber dem Ritter Delorges in Wirklichkeit in der Ballade abläuft und nennt Gründe für dieses Verhalten.

Gruppe D: Bearbeitet die Aufgaben, indem ihr die entsprechenden Zeilen auf eurem AB ausfüllt.

1
Lest euch die Strophe 7 durch und beschreibt, welche Erwartung Publikum und Leser vom Verhalten des Ritters Delorges gehabt haben könnten. Nennt Gründe für diese Erwartungen.
2
Fasst zusammen, wie der Ritter Delorges in Wirklichkeit in der Ballade handelt und nennt Gründe für dieses Verhalten.

Gruppe E: Bearbeitet die Aufgaben, indem ihr die entsprechenden Zeilen auf eurem AB ausfüllt.

1
Lest euch die Strophe 8 durch und beschreibt, welche Erwartung Publikum und Leser vom Verhalten des Ritters Delorges gegenüber dem Fräulein Kunigunde eigentlich haben. Nennt Gründe für diese Erwartungen.
2
Fasst zusammen, wie das Verhalten des Ritters Delorges gegenüber dem Fräulein Kunigunde in Wirklichkeit in der Ballade abläuft und nennt Gründe für dieses Verhalten.

Zeigt, wie das Geschehen in der Ballade mit Leser- bzw. Publikumserwartungen bricht.

Gruppe A



2. Strophe: Beschreibung des Löwen
Gruppe A



3. Strophe: Beschreibung des Tigers
Gruppe B



4. Strophe: Beschreibung der Leoparden
1. – 4. Strophe: Verhalten der wilden Tiere in der Kampfarena
Gruppe A + B



Erwartung:
Gründe:
Realität:
Gründe:
5. + 6. Strophe: Verhalten Fräulein Kunigundes gegenüber dem Ritter Delorges
Gruppe C



Erwartung:
Gründe:
Realität:
Gründe:
7. Strophe: Verhalten des Ritters Delorges
Gruppe D



Erwartung:
Gründe:
Realität:
Gründe:
8. Strophe: Verhalten des Ritters Delorges gegenüber dem Fräulein Kunigunde
Gruppe E



Erwartung:
Gründe:
Realität:
Gründe:
Aufgabe für Schnelle:

Schiller gab seine Ballade einigen Lesern vorab. Charlotte von Stein beanstandete V. 72, in welchem der Ritter der Dame den Handschuh ins Gesicht wirft. Sie empörte sich über das rüde Benehmen, welches sich für einen Ritter nicht gehöre. Schiller ersetzte den Vers deswegen mit folgendem:

V. 72: „Und der Ritter sich tief verneigend spricht“

Auch seinem Verleger gefiel diese Veränderung: „dass du den Schluss (...) geändert hast, ist (...) ein Gewinn, teils wegen des Ritterkostüms, teils weil dadurch die letzte Zeile mehr gehoben wird.“

Schiller selbst war jedoch unzufrieden, der Aufforderung nachgekommen zu sein und revidierte diese Änderung.

Vergleicht die beiden Fassungen des Verses 72 miteinander, beschreibt die Wirkung und positioniert euch dazu, welche der Fassungen ihr für passender haltet.
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