• Emanuel Geibel: Die Goldgräber
  • 45minuten
  • 06.02.2023
  • Deutsch
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Em­ma­nu­el Gei­bel: Die Gold­grä­ber (1870)

Sie waren ge­zo­gen über das Meer,

Nach Glück und Gold stand ihr Be­gehr,

Drei wilde Ge­sel­len, vom Wet­ter ge­bräunt,

Und kann­ten sich wohl und waren sich freund.



Sie hat­ten ge­gra­ben Tag und Nacht,

Am Flus­se die Grube, im Berge den Schacht,

In Son­nen­glu­ten und Re­gen­ge­braus,

Bei Durst und Hun­ger hiel­ten sie aus.



Und end­lich, end­lich, nach Mon­den voll Schweiß,

Da sahn aus der Tiefe sie win­ken den Preis,

Da glüht' es sie an durch das Dun­kel so hold,

Mit Bli­cken der Schlan­ge, das feu­ri­ge Gold.



Sie bra­chen es los aus dem fins­te­ren Raum,

Und als sie's faß­ten, sie hoben es kaum,

Und als sie's wogen, sie jauchz­ten zu­gleich:

»Nun sind wir ge­bor­gen, nun sind wir reich!«



Sie lach­ten und kreisch­ten mit ju­beln­dem Schall,

Sie tanz­ten im Kreis um das blan­ke Me­tall,

Und hätte der Stolz nicht be­zähmt ihr Ge­lüst,

Sie hät­ten's mit brüns­ti­ger1 Lippe ge­küßt.



Sprach Tom, der Jäger: »Nun laßt uns ruhn!

Zeit ist's, auf das Müh­sal uns güt­lich zu tun.

Geh, Sam, und hol' uns Spei­sen und Wein,

Ein lus­ti­ges Fest muß ge­fei­ert sein!«



Wie trun­ken schlen­der­te Sam dahin

Zum Fle­cken2 hinab mit ver­zau­ber­tem Sinn;

Sein Haupt um­ne­belnd, be­schli­chen ihn sacht

Ge­dan­ken, wie er sie nim­mer ge­dacht.



Die an­dern saßen am Ber­geshang,

Sie prüf­ten das Erz und es blitzt' und es klang.

Sprach Will, der Rote: »Das Gold ist fein;

Nur scha­de, daß wir es tei­len zu drei'n'!«



»Du meinst?« – »Je nun, ich meine nur so.

Zwei wür­den des Schat­zes bes­ser froh –«

»Doch wenn –« – »Wenn was? « - »Nun, neh­men wir an,

Sam wäre nicht da« – »Ja, frei­lich, dann – –«



Sie schwie­gen lang; die Sonne glomm

Und gleißt‘3 um das Gold; da mur­mel­te Tom:

»Siehst du die Schlucht dort unten?« – »Warum? « –

»Ihr Schat­ten ist tief und die Fel­sen sind stumm.« –



»Ver­steh' ich dich recht? « – »Was fragst du noch viel!

Wir dach­ten es beide, und füh­ren's ans Ziel.

Ein tüch­ti­ger Stoß und ein Grab im Ge­stein,

So ist es getan und wir tei­len al­lein.«

1 lei­den­schaft­lich

2 klei­nes Dorf

3 leuch­ten/glit­zern

Sie schwie­gen aufs neu. Es ver­glüh­te der Tag,

Wie Glut auf dem Golde das Spät­rot lag;

Da kam er zu­rück, ihr jun­ger Genoß,

Von blei­cher Stir­ne der Schweiß ihm floß.



»Nun her mit dem Korb und dem bau­chi­gen Krug.«

Und sie aßen und tran­ken mit tie­fem Zug.

»Hei lus­tig, Bru­der! Dein Wein ist stark;

Er rollt wie Feuer durch Bein und Mark.



Komm, tu uns Be­scheid4!« – »Ich trank schon vor­her;

Nun sind vom Schla­fe die Augen mir schwer.

Ich streck' ins Ge­klüft5 mich.« – »Nun, gute Ruh!

Und nimm den Stoß, und den dazu!«



Sie tra­fen ihn mit den Mes­sern gut;

Er schwankt' und glitt im rau­chen­den Blut6.

Noch ein­mal hub er sein blaß Ge­sicht:

»Herr­gott im Him­mel, du hältst Ge­richt!

4 hier: Komm, trink mit uns!

5 Fels­ge­stein

6 hier: Blut des Ver­rats

Letz­te Stro­phe:

Auf­ga­ben­stel­lung:

1
Un­ter­su­che, wie sich das Ver­hält­nis der Gold­grä­ber zu­ein­an­der ent­wi­ckelt und er­klä­re den Grund für diese Ent­wick­lung.
2
Be­schrei­be den Plan, den Will und Tom ver­fol­gen.
3
Die letz­te Stro­phe der Bal­la­de fehlt. Ar­bei­te aus dem Text Hin­wei­se her­aus, wie die Bal­la­de enden könn­te.
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