von innen herausbedrohten.
weder zwangsläufig noch zufälliggewesen sei.
Rede des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert zu 90 Jahre[n] Weimarer
Reichsverfassung – Festakt im Deutschen Nationaltheater Weimar, 11. August 2009.
Die Unterzeichnung der Weimarer Reichsverfassung am 11. August 1919 ist ein bedeutendes Ereignis der deutschen Geschichte, jedenfalls in der vergleichsweise kurzen Geschichte der mühsamen Entwicklung von Demokratie und Parlamentarismus in Deutschland. […] Für den unvermeidlichen Neuanfang, den die einen wollten und die anderen nicht verhindern konnten, gab es weder Vorarbeiten noch Vorlagen. [...] Die Weimarer Republik scheiterte (...) nicht nur am Fehlen einer unangefochtenen, den Staat als Ganzes repräsentierenden republikanischen Autorität, sondern auch und vor allem an einer Serie politischer Fehlleistungen von Wählern und Gewählten, denen das wirklich Wichtige nicht wichtig genug und das eigene Interesse allzu wichtig war. [...]
Für das Scheitern der Weimarer Republik gibt es viele Gründe, die Mängel ihrer Verfassung gehören wohl dazu. Theodor Heuss, der ihren Aufbau wie ihre Auflösung persönlich erlebt und politisch begleitet hat, verwies während der Beratungen des Parlamentarischen Rates 1948 auf die „offenkundigen Fehlkonstruktionen in der Weimarer Verfassung selber“. Aber es waren weder alleine die institutionellen Strukturfehler noch der Versailler Vertrag, weder die Reparationszahlungen am Anfang und die Weltwirtschaftskrise am Ende, nicht einmal das Elend einer steigenden Massenarbeitslosigkeit, gewiss nicht die versäumte Demokratisierung von Justiz und Verwaltung oder das Fehlen eines unabhängigen Verfassungsgerichts. Und auch nicht die Plebiszite: gegen Volksabstimmungen gibt es durchaus beachtliche Argumente, aber dass sie die erste parlamentarische Demokratie in Deutschland zerstört hätten, lässt sich nicht ernsthaft vortragen. Tatsächlich hätte die junge Republik die eine oder andere der genannten Belastungen vielleicht bewältigen können, unter der geballten Gleichzeitigkeit der Herausforderungen wie der eigenen Fehler ist sie zusammengebrochen. Die Weimarer Republik war - im Unterschied zu den Verhältnissen davor und danach - eine Demokratie, natürlich nicht ohne Demokraten, wie später allzu geringschätzig immer wieder behauptet wurde, aber gewiss mit zu wenig engagierten Demokraten, sie war eine Republik, in der die Republikaner nie eine verlässliche Mehrheit hatten - nicht einmal für die Wahl des Staatsoberhauptes. Insofern war ihr Ende weder zwangsläufig noch zufällig.
Hinweis zum Autor:
Prof. Dr. Norbert Lammert (* 16.11.1948) ist Politikwissenschaftler und CDU-Politiker. Von 1980 bis 2017 war er Mitglied und von 2005-2017 Präsident des Deutschen Bundestages.
Die Unterzeichnung der Weimarer Reichsverfassung am 11. August 1919 ist ein bedeutendes Ereignis der deutschen Geschichte, jedenfalls in der vergleichsweise kurzen Geschichte der mühsamen Entwicklung von Demokratie und Parlamentarismus in Deutschland. […] Für den unvermeidlichen Neuanfang, den die einen wollten und die anderen nicht verhindern konnten, gab es weder Vorarbeiten noch Vorlagen. [...] Die Weimarer Republik scheiterte (...) nicht nur am Fehlen einer unangefochtenen, den Staat als Ganzes repräsentierenden republikanischen Autorität, sondern auch und vor allem an einer Serie politischer Fehlleistungen von Wählern und Gewählten, denen das wirklich Wichtige nicht wichtig genug und das eigene Interesse allzu wichtig war. [...]
Für das Scheitern der Weimarer Republik gibt es viele Gründe, die Mängel ihrer Verfassung gehören wohl dazu. Theodor Heuss, der ihren Aufbau wie ihre Auflösung persönlich erlebt und politisch begleitet hat, verwies während der Beratungen des Parlamentarischen Rates 1948 auf die „offenkundigen Fehlkonstruktionen in der Weimarer Verfassung selber“. Aber es waren weder alleine die institutionellen Strukturfehler noch der Versailler Vertrag, weder die Reparationszahlungen am Anfang und die Weltwirtschaftskrise am Ende, nicht einmal das Elend einer steigenden Massenarbeitslosigkeit, gewiss nicht die versäumte Demokratisierung von Justiz und Verwaltung oder das Fehlen eines unabhängigen Verfassungsgerichts. Und auch nicht die Plebiszite: gegen Volksabstimmungen gibt es durchaus beachtliche Argumente, aber dass sie die erste parlamentarische Demokratie in Deutschland zerstört hätten, lässt sich nicht ernsthaft vortragen. Tatsächlich hätte die junge Republik die eine oder andere der genannten Belastungen vielleicht bewältigen können, unter der geballten Gleichzeitigkeit der Herausforderungen wie der eigenen Fehler ist sie zusammengebrochen. Die Weimarer Republik war - im Unterschied zu den Verhältnissen davor und danach - eine Demokratie, natürlich nicht ohne Demokraten, wie später allzu geringschätzig immer wieder behauptet wurde, aber gewiss mit zu wenig engagierten Demokraten, sie war eine Republik, in der die Republikaner nie eine verlässliche Mehrheit hatten - nicht einmal für die Wahl des Staatsoberhauptes. Insofern war ihr Ende weder zwangsläufig noch zufällig.
Hinweis zum Autor:
Prof. Dr. Norbert Lammert (* 16.11.1948) ist Politikwissenschaftler und CDU-Politiker. Von 1980 bis 2017 war er Mitglied und von 2005-2017 Präsident des Deutschen Bundestages.
Rede des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert zu 90 Jahre[n] Weimarer
Reichsverfassung – Festakt im Deutschen Nationaltheater Weimar, 11. August 2009.
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