• Stübiger: Der literarische Expressionismus am Beispiel von Großstadtlyrik
  • anonym
  • 30.06.2020
  • Deutsch
  • 11
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Der (literarische) Expressionismus

1
Arbeite anhand der Materialien heraus, welches Lebensgefühl im Expressionismus vorherrschte.
1

Weltende (1911)

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut.

In allen Lüften hallt es wie Geschrei.

Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei

Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut.



Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen

An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.

Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.

Die Eisenbahner fallen von den Brücken.

Jakob van Hoddis (1887-1942)

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut.

In allen Lüften hallt es wie Geschrei.

Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei

Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut.



Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen

An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.

Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.

Die Eisenbahner fallen von den Brücken.

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Weltende (1911)





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Jakob van Hoddis (1887-1942)
Jakob van Hoddis (1887-1942)
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Oh diese acht Zeilen (1957)

"[...] diese acht Zeilen schienen uns in andere Menschen verwandelt zu haben, uns emporgehoben zu haben aus einer Welt stumpfer Bürgerlichkeit, die wir verachteten und von der wir nicht wussten, wie wir sie verlassen sollten. [...] Wir fühlten uns wie neue Menschen  [...] und eine Unruhe schworen wir uns zu stiften, dass den Bürgern Hören und Sehen vergehen sollte [...]. Ein neues Weltgefühl schien uns ergriffen zu haben, das Gefühl von der Gleichzeitigkeit des Geschehens."

Johannes R. Becher (1891-1958)

"[...] diese acht Zeilen schienen uns in andere Menschen verwandelt zu haben, uns emporgehoben zu haben aus einer Welt stumpfer Bürgerlichkeit, die wir verachteten und von der wir nicht wussten, wie wir sie verlassen sollten. [...] Wir fühlten uns wie neue Menschen  [...] und eine Unruhe schworen wir uns zu stiften, dass den Bürgern Hören und Sehen vergehen sollte [...]. Ein neues Weltgefühl schien uns ergriffen zu haben, das Gefühl von der Gleichzeitigkeit des Geschehens."

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Oh diese acht Zeilen (1957)





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Johannes R. Becher (1891-1958)
Johannes R. Becher (1891-1958)
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Der Schriftsteller Hermann Bahr über den Expressionismus:

"Darum geht es, dass der Mensch sich wiederfinden will... Die Maschine hat ihm die Seele weggenommen - und jetzt will ihn die Seele wiederhaben. Darum geht es; alles, was wir erleben, ist nur der ungeheure Kampf um den Menschen, Kampf mit der Maschine. [...]"

zit. n. Genzmann, Wilhelm: Deutsche Literatur der Gegenwart. 1953.

"Darum geht es, dass der Mensch sich wiederfinden will... Die Maschine hat ihm die Seele weggenommen - und jetzt will ihn die Seele wiederhaben. Darum geht es; alles, was wir erleben, ist nur der ungeheure Kampf um den Menschen, Kampf mit der Maschine. [...]"

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Der Schriftsteller Hermann Bahr über den Expressionismus:





zit. n. Genzmann, Wilhelm: Deutsche Literatur der Gegenwart. 1953.
zit. n. Genzmann, Wilhelm: Deutsche Literatur der Gegenwart. 1953.

Literarischer Expressionismus am Beispiel von Großstadtlyrik

1
Analysiere und interpretiere zunächst alleine Dein Gedicht.
1

Fabrikstraße tags (1911)

Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas

zieht die Straße den gescheckten Gurt

der Fassaden. Keine Bahnspur surrt.

Immer glänzt das Pflaster wassernass.



Streift ein Mensch dich, trifft sein Blick dich kalt

bis ins Mark; die harten Schritte haun

Feuer aus dem turmhoch steilen Zaun,

noch sein kurzes Atmen wolkt geballt.



Keine Zuchthauszelle klemmt

so in Eis das Denken wie dies Gehn

zwischen Mauern, die nur sich besehn.



Trägst du Purpur oder Büßerhemd –:

immer drückt mit riesigem Gewicht

Gottes Bannfluch: uhrenlose Schicht.

Paul Zech (1881-1946)

Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas

zieht die Straße den gescheckten Gurt

der Fassaden. Keine Bahnspur surrt.

Immer glänzt das Pflaster wassernass.



Streift ein Mensch dich, trifft sein Blick dich kalt

bis ins Mark; die harten Schritte haun

Feuer aus dem turmhoch steilen Zaun,

noch sein kurzes Atmen wolkt geballt.



Keine Zuchthauszelle klemmt

so in Eis das Denken wie dies Gehn

zwischen Mauern, die nur sich besehn.



Trägst du Purpur oder Büßerhemd –:

immer drückt mit riesigem Gewicht

Gottes Bannfluch: uhrenlose Schicht.

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Fabrikstraße tags (1911)





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Paul Zech (1881-1946)
Paul Zech (1881-1946)
2
Gehe in Deine Expertengruppe und erläutert Eure Egebnisse untereinander.
3
Gehe in Deine Stammgruppe.
Vergleicht dort untereinander die verschiedenen Gedichte.
Gestaltet dann gemeinsam ein Schaubild über den literarischen Expressionismus (Motive, Themen, Autoren, Ideen, Historie, stilistische Merkmale).

Literarischer Expressionismus am Beispiel von Großstadtlyrik

1
Analysiere und interpretiere zunächst alleine Dein Gedicht.
2

Auf der Terrasse des Café Josty (1912)

Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll

Vergletschert alle hallenden Lawinen

Der Straßentakte: Trams auf Eisenschienen

Automobile und den Menschenmüll.



Die Menschen rinnen über den Asphalt,

Ameisenemsig, wie Eidechsen flink

.Stirne und Hände, von Gedanken blink,

schwimmen wie Sonnenlicht durch dunklen Wald.



Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,

Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen

Und lila Quallen liegen - bunte Öle;



Die mehren sich, zerschnitten von den Wagen.-Aufspritzt Berlin, des Tages glitzernd Nest,

Vom Rauch der Nacht wie Eiter einer Pest.

Paul Boldt (1885-1921)

Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll

Vergletschert alle hallenden Lawinen

Der Straßentakte: Trams auf Eisenschienen

Automobile und den Menschenmüll.



Die Menschen rinnen über den Asphalt,

Ameisenemsig, wie Eidechsen flink

.Stirne und Hände, von Gedanken blink,

schwimmen wie Sonnenlicht durch dunklen Wald.



Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,

Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen

Und lila Quallen liegen - bunte Öle;



Die mehren sich, zerschnitten von den Wagen.-Aufspritzt Berlin, des Tages glitzernd Nest,

Vom Rauch der Nacht wie Eiter einer Pest.

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Auf der Terrasse des Café Josty (1912)





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Paul Boldt (1885-1921)
Paul Boldt (1885-1921)
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Gehe in Deine Expertengruppe und erläutert Eure Egebnisse untereinander.
3
Gehe in Deine Stammgruppe.
Vergleicht dort untereinander die verschiedenen Gedichte.
Gestaltet dann gemeinsam ein Schaubild über den literarischen Expressionismus (Motive, Themen, Autoren, Ideen, Historie, stilistische Merkmale).

Literarischer Expressionismus am Beispiel von Großstadtlyrik

1
Analysiere und interpretiere zunächst alleine Dein Gedicht.
3

Der Gott der Stadt (1910)

Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.

Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.

Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit

Die letzten Häuser in das Land verirrn.



Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal*,

Die großen Städte knieen um ihn her.

Der Kirchenglocken ungeheure Zahl

Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.



Wie Korybanten-Tanz* dröhnt die Musik

Der Millionen durch die Straßen laut.

Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik

Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.



Das Wetter schwält in seinen Augenbrauen.

Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.

Die Stürme flattern, die wie Geier schauen

Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.



Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.

Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt

Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust

Und frißt sie auf, bis spät der Morgen tagt.



* falscher Gott/ Götze

* orgiastische Ritualtänze zu Ehren einer Gottheit, Synonym für tobender Gemütszustand

Georg Heym (1887-1912)

Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.

Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.

Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit

Die letzten Häuser in das Land verirrn.



Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal*,

Die großen Städte knieen um ihn her.

Der Kirchenglocken ungeheure Zahl

Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.



Wie Korybanten-Tanz* dröhnt die Musik

Der Millionen durch die Straßen laut.

Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik

Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.



Das Wetter schwält in seinen Augenbrauen.

Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.

Die Stürme flattern, die wie Geier schauen

Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.



Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.

Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt

Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust

Und frißt sie auf, bis spät der Morgen tagt.



* falscher Gott/ Götze

* orgiastische Ritualtänze zu Ehren einer Gottheit, Synonym für tobender Gemütszustand

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Der Gott der Stadt (1910)





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Georg Heym (1887-1912)
Georg Heym (1887-1912)
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Gehe in Deine Stammgruppe.
Vergleicht dort untereinander die verschiedenen Gedichte.
Gestaltet dann gemeinsam ein Schaubild über den literarischen Expressionismus (Motive, Themen, Autoren, Ideen, Historie, stilistische Merkmale).

Peter Fox: Schwarz zu Blau

1
Setz Dich mit der Großstadterfahrung und ihrer künstlerische Umsetzung bei Peter Fox auseinander und vergleiche sie mit der expressionistischen Großstadtlyrik. Beziehe hierbei auch eigene Großstadterfahrungen mit ein.

Schwarz zu Blau (2009)

[...]



Guten Morgen Berlin

Du kannst so häßlich sein

So dreckig und grau

Du kannst so schön schrecklich sein

Deine Nächte fressen mich auf

Es wird für mich wohl das Beste sein

Ich geh nach Hause und schlaf mich aus

Und während ich durch die Straßen laufe

Wird langsam schwarz zu blau



Müde Gestalten im Neonlicht

Mit tiefen Falten im Gesicht

Frühschicht schweigt, jeder bleibt für sich

Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht



[...]



Ich bin kaputt

Und reib mir aus meinen Augen deinen Staub

Du bist nicht schön

Und das weißt du auch

Dein Panorama versaut

Siehst nicht mal schön von weitem aus

Doch die Sonne geht gerade auf

Und ich weiß, ob ich will oder nicht

Dass ich dich zum Atmen brauch (brauch, brauch, brauch...)

Peter Fox

[...]



Guten Morgen Berlin

Du kannst so häßlich sein

So dreckig und grau

Du kannst so schön schrecklich sein

Deine Nächte fressen mich auf

Es wird für mich wohl das Beste sein

Ich geh nach Hause und schlaf mich aus

Und während ich durch die Straßen laufe

Wird langsam schwarz zu blau



Müde Gestalten im Neonlicht

Mit tiefen Falten im Gesicht

Frühschicht schweigt, jeder bleibt für sich

Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht



[...]



Ich bin kaputt

Und reib mir aus meinen Augen deinen Staub

Du bist nicht schön

Und das weißt du auch

Dein Panorama versaut

Siehst nicht mal schön von weitem aus

Doch die Sonne geht gerade auf

Und ich weiß, ob ich will oder nicht

Dass ich dich zum Atmen brauch (brauch, brauch, brauch...)

Schwarz zu Blau (2009)





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Peter Fox
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