Hurra! Mit 5,6% seid ihr bei der Bundestagswahl 1983 als die Grünen in den Bundestag eingezogen. Als recht neue Partei, die aus verschiedenen Bewegungen entstanden ist, müsst ihr euch nun in den einzelnen Themenbereichen auf eine Richtung einigen. Dafür wurde zu jedem großen Themenbereich je ein Ausschuss gegründet. Als Ausschuss zum Thema Frauenrechte und Gleichberechtigung
habt ihr folgende Aufgaben:
M1) Zum Einstieg: Trailer zu Die Unbeugsamen
(2021), einer Dokumentation zur Diskriminierung von Frauen in der Politik der BRD.
Q1) Rede Waltraud Schoppes (Grüne) im Bundestag, 05.Mai 1983. Zuvor wurde die Abgeordnete angeblich mit den Worten Du bist eine Hexe. Früher wärst du verbrannt worden
bedroht. Darauf bezieht sie zu Anfang der Rede Stellung.
Ich möchte kurz etwas zu gestern abend sagen, verehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde. Gestern abend ist hier in unqualifizierter Weise gepöbelt worden. Sie müssen noch an sich arbeiten, meine Herren, damit die Würde dieses Hauses nicht ganz auf den Hund kommt. (...)
Wir bewegen uns in einer Gesellschaft, die Lebenverhältnisse normiert, auf Einheitsmoden, Einheitswohnungen, Einheitsmeinungen, auch auf eine Einheitsmoral, was dazu geführt hat, daß sich Menschen abends hinlegen und vor dem Einschlafen eine Einheitsübung vollführen, wobei der Mann meist eine fahrlässige Penetration durchführt, fahrlässig, weil die meisten Männer keine Maßnahmen zur Schwangerschaftsverhütung ergreifen. Die Männer sind gleichwertig an der Entstehung einer Schwangerschaft beteiligt. Dennoch entziehen sie sich ihrer Verantwortung. Mit Strafe bedroht sind bei einem Abbruch nur die Frauen. Erst später greifen Männer als Hüter der Moral wieder ein, indem sie Strafgesetze aufstellen, indem sie als Kirchenfürsten gegen den Abbruch wettern, indem sie als Ärzte, je nach moralischer und politischer Überzeugung, den Frauen helfen oder sie demütigen. Am Ende einer Schwangerschaft steht die Geburt. Und das bedeutet eine Verantwortung und Sorge für einen Menschen für die nächsten 18 bis 20 Jahre. Die Wahrscheinlichkeit, geschieden zu werden, liegt heute bei 25 bis 30 vom Hundert. Nach einer Trennung bleiben die Kinder meist bei den Müttern. Aber auch, wenn die Ehe bestehenbleibt, die Erziehungsarbeit wird auf Grund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung von den Frauen geleistet. Das bedeutet die Zurücknahme von vielen anderen Wünschen und Möglichkeiten für die Frau wie z. B. Berufsarbeit, Weiterbildung, freie Zeit für sich selbst, Mitwirkung an politischer Arbeit. So ist die biologische Fähigkeit, ein Kind zu gebären, für die Frau immer noch zu einem sozialen Schicksal geworden. Die Unterdrückung der Frau kann nur aufgehoben werden, wenn die geschlechtsspezifische Arbeit aufgehoben wird. Es gibt bei den GRÜNEN eine Mehrheit, zu der auch ich gehöre, die die ersatzlose Streichung des § 218 fordert und sich damit hinter die Forderung der Frauenbewegung stellt. (…)
Wir fordern die Bestrafung bei Vergewaltigung in der Ehe. Wir fordern Sie auf, endlich zur Kenntnis zu nehmen, daß auch die Frauen ein Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper und ihr Leben haben. Wir fordern Sie alle auf, den alltäglichen Sexismus hier im Parlament einzustellen. (starke Unruhe im Parlament, Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)
Anstatt die Frauen mit der Verschärfung des § 218 unter Druck zu setzen, sollte einmal darüber nachgedacht werden, wie Schwangerschaftsverhütung betrieben werden könnte. Eine wirkliche Wende wäre es, wenn hier oben z. B. ein Kanzler stehen und die Menschen darauf hinweisen würde, daß es Formen des Liebesspieles gibt, die lustvoll sind und die die Möglichkeit einer Schwangerschaft gänzlich ausschließen.
Aber man kann natürlich nur über das reden, wovon man wenigstens ein bißchen versteht. Im Ernst würde ich mit dem Kanzler nie darüber reden wollen. Wer durch seine Politik Umwelt zerstört und Menschenfeindliches initiiert, hat die Chance verspielt, in das Gespräch über Sinnlichkeit einbezogen zu werden.
Vollständiges Plenarprotokoll der Rede mit Zurufen etc. unter https://t1p.de/x9gdp. S.248-250.
M2) Videosequenz zu Gewalt gegen Frauen
als Teil des Videos 13 Pionierinnen der Frauenbewegung
(41:09-46:38)
Q2) Auszüge aus dem Grundsatzprogramm der Grünen, zweite überarbeitete Fassung (1982) https://t1p.de/tjmai (S. 37-40):
Seit Jahrtausenden werden Frauen besonders unterdrückt und ausgebeutet, sind sie Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen ausgesetzt. Frauen werden tagtäglich daran gehindert, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen. Das geschieht durch doppelte Arbeitsbelastung, durch eine Formung zur
passiven Weiblichkeit und durch gesellschaftliche Vorurteile und Diskriminierung von Frauen, die sich gegen ihre Unterdrückung auflehnen. Die Frauen sehen nicht mehr schweigend zu, wie die Herren in den großen und kleinen Parlamenten ihre Interessen mißachten. Seit jeher haben die Frauen die Funktion einer verfügbaren und billigen Reservearmee: Zu Zeiten der Hochkonjunktur sollen sie
gleichberechtigt und berufstätig sein, wobei natürlich nie außer Zweifel steht, daß sie gleichzeitig liebende Gattin und sorgende Mutter zu sein haben. Heute sind es die Frauen, die zuerst entlassen werden. In Zeiten großer Arbeitslosigkeit, in der Frauen stets stärker betroffen sind als die Männer, werden Frauen an ihre
eigentliche Bestimmung verstärkt erinnert und zurück ins Haus und in die Familie gedrängt. Erst dann wird von einer Anerkennung des
Arbeitsplatzes Haushalt gesprochen. Viele Frauen müssen aber beiden Arbeitsplätzen gerecht werden. Ziel der GRÜNEN ist eine humane Gesellschaft, aufgebaut auf der vollen Gleichberechtigung der Geschlechter im Rahmen einer ökologischen Gesamtpolitik. Um diese Überlebenspolitik durchführen zu können, bedarf es des höchsten Einsatzes der Frauen, um gemeinsam mit den Männern im politischen Raum das Leben der nächsten Generation zu sichern. Der beispielhafte Einsatz von Frauen in den Bürgerinitiativen ist ein Signal! Auch bei den GRÜNEN ist die politische Willensbildung bereits heute wesentlich von Frauen mitbestimmt, erheblich mehr als in allen anderen Parteien. Diese Tendenz wird noch zunehmen in dem Maße, in dem Frauen bereit sein werden, mehr politische Verantwortung zu übernehmen und ihnen dieser Verantwortungs- und Handlungskompetenz nicht länger abgesprochen wird.
(...)
2. Rente: In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 3,4 Millionen Rentnerinnen, die allein leben; über die Hälfte von ihnen mußten 1975/76 mit weniger als 600 Mark auskommen. Viele der alten Frauen arbeiteten jahrelang für Mann und Kinder; diese Arbeit wurde nie besonders honoriert oder bezahlt. Witwen bekommen nur 60 % von der Rente ihres Mannes als Witwenrente. Deshalb fordern wir: Staatliche Rentenbeitragszahlung während der Ausfallzeiten, die durch Kinderbetreuung und Haushalt notwendig sind. Gleiche Rentenbemessungsgrundlage für Männer und Frauen. Hinterbliebenenrente für jede Witwe in voller Höhe der entsprechenden Rente des Ehemannes. Bekommen beide Ehepartner Rente, so ist bei Tod eines Partners die größere weiterzuzahlen.
(...)
4. Gewalt gegen Frauen: In der Bundesrepublik Deutschland werden jährlich ca. 4 Millionen Frauen geschlagen und mißhandelt. Sie sind Opfer einer Gesellschaft, in der Macht und Unterdrückung tagtäglich ausgeübt und ertragen werden. Frauenhaeuser, die diese Frauen mit ihren Kindern aufnehmen, bekommen in der Regel keine bedingungslose staatliche Unterstützung. Die Zunahme der Vergewaltigungen von Frauen ist erschreckend.
Deshalb fordern wir: Finanzielle Unterstützung autonomer und selbstverwalteter Frauenhäuser sowie Anerkennung von Frauenhausvereinen als Trägern. Keine Kontrolle und keine Eingriffe in das Konzept autonomer Frauenhäuser. Diskriminierung von Frauen muß unter Strafe gestellt werden. Einzurichten ist eine Institution unter Vorsitz einer Beauftragten für Frauenfragen, gegen Diskriminierung und Benachteiligung im Arbeitsleben und in der Gesellschaft.