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  • 02.06.2024
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Julia Franck



Streu­sel­schne­cke (2000)



Der Anruf kam, als ich vier­zehn war. Ich wohn­te seit einem Jahr nicht mehr bei mei­ner Mut­ter und mei­nen Schwes­tern, son­dern bei Freun­den in Ber­lin. Eine frem­de Stim­me mel­de­te sich, der Mann nann­te sei­nen Namen, sagte mir, er lebe in Ber­lin, und frag­te, ob ich ihn ken­nen­ler­nen wolle. Ich zögerte, ich war mir nicht si­cher. Zwar hatte ich schon viel über sol­che Tref­fen gehört und mir oft vor­ge­stellt, wie so etwas wäre, aber als es so weit war, emp­fand ich eher Un­be­ha­gen. Wir ver­ab­re­de­ten uns. Er trug Jeans, Jacke und Hose. Ich hatte mich ge­schminkt. Er führte mich ins Café Rich­ter am Hin­de­mith­platz, und wir gin­gen ins Kino, ein Film von Roh­mer​*​. Un­sym­pa­thisch war er nicht, eher schüchtern. Er nahm mich mit ins Re­stau­rant und stell­te mich sei­nen Freun­den vor. Ein fei­nes, iro­ni­sches Lächeln zog er zwi­schen sich und die an­de­ren Men­schen. Ich ahnte, was das Lächeln ver­riet. Ei­ni­ge Male durf­te ich ihn bei sei­ner Ar­beit be­su­chen. Er schrieb Drehbücher​*​ und führte Regie​*​ bei Fil­men. Ich frag­te mich, ob er mir Geld geben würde, wenn wir uns tref­fen, aber er gab mir keins, und ich trau­te mich nicht, da­nach zu fra­gen. Schlimm war das nicht, schließ­lich kann­te ich ihn kaum, was soll­te ich da schon ver­lan­gen? Au­ßer­dem konn­te ich für mich selbst sor­gen, ich ging zur Schu­le und put­zen und ar­bei­te­te als Kindermädchen. Bald würde ich alt genug sein, um als Kell­ne­rin zu ar­bei­ten, und viel­leicht wurde ja auch noch eines Tages etwas Rich­ti­ges aus mir.

Zwei Jahre später, der Mann und ich waren uns noch immer etwas fremd, sagte er mir, er sei krank. Er starb ein Jahr lang, ich be­such­te ihn im Kran­ken­haus und frag­te, was er sich wünsche. Er sagte mir, er habe Angst vor dem Tod und wolle es so schnell wie möglich hin­ter sich brin­gen. Er frag­te mich, ob ich ihm Mor­phi­um​*​ be­sor­gen könne. Ich dach­te nach, ich hatte ei­ni­ge Freun­de, die Dro­gen nah­men, aber kei­nen, der sich mit Mor­phi­um aus­kann­te. Auch war ich mir nicht si­cher, ob die im Kran­ken­haus her­aus­fin­den woll­ten und würden, woher es kam. Ich ver­gaß seine Bitte. Manch­mal brach­te ich ihm Blu­men. Er frag­te nach dem Mor­phi­um, und ich frag­te ihn, ob er sich Ku­chen wünsche, schließ­lich wuss­te ich, wie gerne er Torte aß. ​ ​Er sagte, die ein­fa­chen Dinge seien ihm jetzt die liebs­ten – er wolle nur Streu­sel­schne­cken, nichts sonst. Ich ging nach Hause und buk​*​ Streu­sel­schne­cken, zwei Ble­che voll. Sie waren noch warm, als ich sie ins Kran­ken­haus brach­te. Er sagte, er hätte gerne mit mir ge­lebt, es zu­min­dest gern ver­sucht, er habe immer ge­dacht, dafür sei noch Zeit, eines Tages – aber jetzt sei es zu spät.

Kurz nach mei­nem sieb­zehn­ten Ge­burts­tag war er tot. Meine klei­ne Schwes­ter kam nach Ber­lin, wir gin­gen ge­mein­sam zur Be­er­di­gung. Meine Mut­ter kam nicht. Ich nehme an, sie war mit an­de­rem beschäftigt, au­ßer­dem hatte sie mei­nen Vater zu wenig ge­kannt und nicht ge­liebt.



*​Roh­mer: Film­re­gis­seur ​- ​the­ma­ti­siert Be­zie­hun­gen von Er­wach­se­nen

*​Dreh­bü­cher: Text­buch eines Films mit ge­nau­en An­wei­sun­gen für alle op­ti­schen und akus­ti­schen Ein­zel­hei­ten der Dar­stel­lung und der Auf­nah­me­tech­nik

*​Regie: Lei­tung ​- ​jener ge­stal­tet eine Auf­füh­rung oder eine Sen­dung

*​Mor­phi­um: Droge ​- ​eines der stärks­ten Schmerz­mit­tel

*​buk : ba­cken

1
Auf­ga­be 1: Pla­nung
  • Lies die Kurz­ge­schich­te ,,Streu­sel­schne­cke​"​ genau durch. For­mu­lie­re die ein­zel­nen Hand­lungs­schrit­te in kur­zen Sät­zen.
  • Be­nö­tigst du Hilfe? Hole sie dir bei der Glüh­bir­ne ab.
2
Auf­ga­be 2: Ein­lei­tungs­satz
  • For­mu­lie­re einen Ein­lei­tungs­satz für die In­halts­an­ga­be zu der Kurz­ge­schich­te ,,Streu­sel­schne­cke​"​.
  • Be­nö­tigst du die Satz­an­fän­ge? Hole sie dir bei der Glüh­bir­ne ab.
3
Auf­ga­be 3: Haupt­teil schrei­ben
  • Fasse, mit Hilfe dei­ner Vor­ar­beit aus Auf­ga­be 1, den In­halt des Tex­tes zu­sam­men. Der Wort­spei­cher kann dir hel­fen.
  • Be­nö­tigst du einen Text­an­fang? Hole sie dir bei der Glüh­bir­ne ab.

Wort­spei­cher:

Zu Be­ginn spielt die Hand­lung in ​/​ Es be­ginnt ​/​ Damit ​/​ Zu­nächst ​/​ Nach­dem ​/​ An­schlie­ßend ​/​ Ei­ni­ge Zeit spä­ter ​/​ Dar­auf­hin ​/​ Im Fol­gen­den ​/​ Es folgt ​/​ Die Si­tu­a­ti­on be­ginnt sich zu ver­än­dern ​/​ Schließ­lich ​/​ Am Ende ​/​ Zum Schluss

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Auf­ga­be 4: Den Schluss for­mu­lie­ren
  • Was soll die Kurz­ge­schich­te dei­ner Mei­nung nach zum Aus­druck brin­gen ?
    Lies die drei Schluss­tei­le durch. Wel­cher Schluss ge­fällt dir am bes­ten ? Be­grün­de deine Wahl mit dei­ner ei­ge­nen Mei­nung.

Die Ge­schich­te könn­te eine Bot­schaft der Hoff­nung ver­mit­teln, trotz ver­gan­ge­ner Kon­flik­te und Ent­frem­dun­gen, die Mög­lich­keit zur Ver­söh­nung und zum Wachs­tum einer Be­zie­hung be­steht, so­wohl in­ner­halb der Fa­mi­lie als auch in un­se­rem ei­ge­nen Leben.

Die In­ten­ti­on des Au­tors könn­te darin be­stehen, die Leser dazu zu er­mu­ti­gen, über die ver­schie­de­nen Arten der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Ver­bin­dung nach­zu­den­ken, die zwi­schen zwei Per­so­nen herrscht.

Mei­ner Mei­nung nach bringt die Kurz­ge­schich­te zum Aus­druck, dass Kom­mu­ni­ka­ti­on nicht immer ver­bal sein muss, son­dern auch durch Hand­lun­gen, Ges­ten und die Be­reit­schaft, zu­zu­hö­ren und zu ver­ste­hen, statt­fin­den kann.

5
Ex­per­ten­auf­ga­be:
Über­ar­bei­te deine In­halts­an­ga­be mit Hilfe der Check­lis­te.

Hole sie dir bei der Glüh­bir­ne ab.
Auf­ga­be 1: Pla­nung

Wer sind die han­deln­den Fi­gu­ren?

Ant­wort:

Wo spielt die Hand­lung (Hand­lungs­ort)?

Ant­wort:

Wel­che Zeit­span­ne wird dar­ge­stellt?

Ant­wort:

Worum geht es in die­ser Kurz­ge­schich­te?

Ant­wort:

Was ist das Thema?

Ant­wort:

Auf­ga­be 2: Ein­lei­tungs­satz
  • Die ​(Text­sor­te)​ ​(Titel)​ von ​(Autor​in)​ aus dem Jahr ​(Er­schei­nungs­jahr)​ han­delt von ​(Thema).
  • In der (Text­sor­te) (Titel) von (Autorin) aus dem Jahr (Er­schei­nungs­jahr) geht es um (Thema).
Aufgabe 3: Hauptteil
  • Die 14 ​- ​jährige Tochter erhält einen Anruf von ihrem Vater, der sich mit ihr treffen möchte.

Wer sind die han­deln­de Fi­gu­ren?

Ant­wort:

Toch­ter und Vater

Wo spielt die Hand­lung (Hand­lungs­ort)?

Ant­wort:

Un­ter­schied­li­che Orte​- ​Kran­ken­haus​/​Cafe​/​Ber­lin

Wel­che Zeit­span­ne wird dar­ge­stellt?

Ant­wort:

2 Jahre

von 14 bis zu ihrem 17 Le­bens­jahr

Worum geht es in die­ser Kurz­ge­schich­te?

Ant­wort:

Die Kurz­ge­schich­te dreht sich um die un­er­war­te­te Kon­takt­auf­nah­me des Va­ters des Ich-​Erzählers nach einer lan­gen Tren­nung von 14 Jah­ren.

Was ist das Thema?

Ant­wort:

Die Be­zie­hung und die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Toch­ter und Vater.

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