Der 9 jährige Fynn sitzt in der Notaufnahme und hält seine Hand vor den Bauch. Seine Väter stehen diskutierend mit dem Handy am Ohr vor der Tür. Als er aufgerufen wird eilt einer seiner Väter hinterher mit den Worten: "Tut uns leid, das mussten wir dringend klären." Fynn flüstert vor sich her. "Ja, wie immer." Fynn hat seit mehreren Tagen Bauchschmerzen und sich seit gestern mehrfach übergeben. Der Arzt entscheidet nach der Palpation ihn zur Beobachtung im Krankenhaus stationär aufzunehmen.
"Muss einer von uns hier bleiben? Das wäre organisatorisch eine Katastrophe." fragt sein Vater. "Müssen nicht, aber schön wär es für Fynn natürlich." entgegnet der Arzt. Der Vater hockt sich zu Fynn und sagt. "Ach unser Fynni ist schon so groß, das schafft du oder? Ich schau das Oma morgen früh vorbei kommen kann. Du weißt ja deine Papas haben viel um die Ohren in ihren Jobs".
Fynn hat einen netten Bettnachbar, den 7 jährigen Oskar der wegen einer Claviculafraktur heute operiert wurde. Seine Mama bleibt über Nacht und die drei haben noch viel Spaß am Abend. Oskars Mama fragt Fynn: " Was ist denn mit deiner Mama? Hast du noch Geschwister auf die sie aufpassen muss?". Fynn knibbelt an seinen Fingernägeln rum und sagt mit gesenktem Blick:" Ich habe keine Mama sondern zwei Papas. Aber das ist gar nicht schlimm sagen sie immer. Die Arbeiten aber viel und können deswegen nicht hier sein." Oskars Mama antwortet: "Natürlich ist das gar nicht schlimm Fynn. Wie schade, dann kommen sie bestimmt morgen." Fynn zuckt mit den Schultern.
Am Morgen bekommt Fynn eine Sonografie vom Abdomen welche jedoch unauffällig ist. Seine Oma ist leider noch nicht aufgetaucht. Als die Kinderkrankenpflegerin Sofia ihn zurück ins Zimmer begleitet fragt Fynn: "Können wir meinen Papa anrufen? Ich möchte noch länger hier bleiben." Sofia runzelt die Stirn, da die Mutter von Oskar ihr auch von dem Gespräch am Abend erzählt hat. Sie fragt Fynn: "Vermisst du deine Papas denn gar nicht?" Fynn antwortet: "Es geht, ich sehe sie sowieso nur abends. Oma fährt mich zur Schule und zum Sport und dann bleibe ich so lange bei ihr bis mein Papa mich abends abholt und dann muss ich direkt ins Bett." Pflegerin Sofia fragt: "Gehst du denn gerne zur Schule?" Fynn schweigt und lässt ihre Hand los. Dann sieht er seine Oma auf dem Flur und läuft los.
Am Abend kommt einer deiner Väter mit einer gepackten Tasche vorbei. Im Gespräch mit den Pflegerinnen erfragt er was los sei. "Also zu finden war nichts auffälliges. Und hier hat Fynn auch keine Bauchschmerzen mehr angegeben. Kann es sein, dass er Probleme in der Schule hat?"
Sein Vater guckt verdutzt: "Was haben denn Probleme in der Schule mit Bauchschmerzen zu tun? Ich wüsste nicht, dass etwas wäre. Wann muss ich ihn denn wieder abholen?"
Die Pflegerin erklärt, dass er voraussichtlich noch eine Nacht bleibt und das Fynn nicht auf die Frage geantwortet habe, ob es ihm in der Schule gefällt. Bauchschmerzen können auch psychosomatisch sein sagt sie. "Mein Sohn spinnt ja nicht, wenn er sagt er hat Bauchschmerzen, hat er Bauchschmerzen. Reden sie ihm bloß nicht ein, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Das musste ich früher auch durch machen und ich glaube heutzutage sollte man deutlich toleranter sein. Dann würde ich die Tasche hier lassen und ihn morgen abholen. Mein Mann ist auf einer Geschäftsreise, deswegen kann ich natürlich alles wieder alleine organisieren. Ich würde jetzt auch direkt wieder los, drücken Sie Fynn feste von mir."
Die Pflegerin bleibt etwas ratlos auf dem Gang stehen und bringt Fynn dann die Tasche. Er spielt gerade mit Oskar und seinen Matchbox Autos. "Schau mal Fynn dein Papa hat Sachen für dich vorbei gebracht." Fynn schaut kurz auf die Tasche und spielt dann weiter. "Boooar cool, der hat ja sogar Flammen drauf." ruft Fynn und zeit auf ein Auto. "Wo sind denn deine Matchbox Autos?" fragt Oskar. "Ich darf keine haben, mein Papa sagt immer die sind zu Klischeemäßig." sagt Fynn. "Klischee was?" fragt Oskar. "Klischeemäßig. Das heißt, dass zu viele Jungs damit spielen. Aber man muss kein Junge sein wenn man nicht will. Man kann auch ein Mädchen sein oder gar nichts." Oskar guckt ganz verwirrt seine Mutter an, die am Tisch sitzt und liest. "Das ist richtig, man kann sein was man möchte und fühlt. Aber wenn du gerne mit Autos spielst Fynn, dann kannst du das natürlich machen." erklärt Oskars Mama.
"Ich bin gerne ein Junge..." nuschelt Fynn vor sich hin. Die Pflegerin holt Fynn zu sich und setzt sich mit ihm auf sein Bett und fragt: "Fynn kann das sein, dass deine Papas wenig Zeit für dich haben?" Fynn nickt. "Und kann das sein, dass du dich in der Schule nicht wohlfühlst?" fragt die Pflegerin mit einer sanften Stimme. "Ich muss manchmal mit Mädchen T-Shirts in die Schule gehen und das möchte ich doch gar nicht. Die anderen Kinder lachen dann immer. Aber meine Papas wollen das, weil sie sagen, dass ich sein kann wer ich möchte. Aber die werden ja auch nicht geärgert deswegen. Ich möchte doch ein Junge sein und auch so rumlaufen. Aber ich kann ihnen das nicht sagen, weil sie nie da sind und mir auch nicht zuhören." Die Pflegerin nimmt Fynn in den Arm, dann spielt er mit Oskar bis zum schlafen mit den Matchbox Autos.
LGBTQIA ist eine englischsprachige Abkürzung, die sich aus den Anfangsbuchstaben der Wörtern
, , , , , und zusammensetzt.So viele Akteure wie nötig!