• Heine about the February Revolution
  • anonym
  • 01.11.2023
  • Geschichte
  • 12
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Con­text

In March 1848, the Re­vo­lu­ti­on of 1848 spre­ad th­roug­hout the en­ti­re German-​speaking re­gi­on. A month ear­lier, the so-​called Fe­bru­ary Re­vo­lu­ti­on had al­re­a­dy taken place in France, which even­tu­al­ly spil­led over into southwes­tern Ger­ma­ny and acted like a chain re­ac­tion. The liberally-​minded wri­ter Hein­rich Heine wrote the fol­lo­wing re­port about it in the “Augs­bur­ger All­ge­mei­ne Zei­tung” on March 9, 1848:

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Pre­sent pas­sa­ges where Heine de­scri­bes the at­mo­s­phe­re in Paris du­ring the re­vo­lu­ti­on.
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Name the ex­pli­cit and im­pli­cit re­a­sons that led to the out­break of the re­vo­lu­ti­on, sta­ted in the source.
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How does Heine por­t­ray the French re­vo­lu­ti­o­na­ries in com­pa­ri­son to the Ger­mans?
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In what way does Heine an­ti­ci­pa­te or pro­phe­sy the im­pact of the re­vo­lu­ti­on in Paris on the German-​speaking re­gi­ons?
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Al­re­a­dy done? What role does Heine's per­so­nal stand­point as a liberally-​minded wri­ter and so­me­o­ne who lived in exile play in his por­t­ra­yal of the Fe­bru­ary Re­vo­lu­ti­on? How might his por­t­ra­yal look if he were a con­ser­va­ti­ve noble or a simp­le worker?

Q1)

Paris, 3. März  

,,Ich habe Ihnen über die Er­eig­nis­se der drei gro­ßen Fe­bru­ar­ta­ge noch nicht schrei­ben kön­nen, denn der Kopf war mir ganz be­täubt. Be­stän­dig Ge­trom­mel, Schie­ßen und Mar­seil­lai­se. Letz­te­re, das un­auf­hör­li­che Lied spreng­te mir fast das Ge­hirn und ach! Das staats­ge­fähr­lichs­te Ge­dan­ken­ge­sin­del, das ich dort seit Jah­ren ein­ge­ker­kert hielt, brach wie­der her­vor. Um den Auf­ruhr, der in mei­nem Ge­mü­te ent­stand, ei­ni­ger­ma­ßen zu dämp­fen, summ­te ich zu­wei­len vor mich hin ir­gend­ei­ne hei­mat­lich from­me Me­lo­die, z. B. »Heil dir im Sie­ger­kranz« oder »Üb du nur Treu und Red­lich­keit« – ver­ge­bens. Der wel­sche Teu­fels­ge­sang über­dröhn­te in mir alle bes­sern Laute. Ich fürch­te die dä­mo­ni­schen Fre­vel­tö­ne wer­den in Bälde auch euch zu Ohren kom­men und ihr wer­det eben­falls ihre ver­lo­cken­de Macht er­fah­ren. So un­ge­fähr muß das Lied ge­klun­gen haben, das der Rat­ten­fän­ger von Ha­meln pfiff. Wie­der­holt sich der große Autor? Geht ihm die Schöp­fungs­kraft aus? Hat er das Drama das er uns vo­ri­gen Fe­bru­ar zum bes­ten gab, nicht schon vor acht­zehn Jah­ren eben­falls zu Paris auf­füh­ren las­sen unter dem Titel »Die Ju­li­us­re­vo­lu­ti­on«? […] Ich hatte einen guten Platz um der Vor­stel­lung bei­zu­woh­nen, ich hatte gleich­sam einen Sperr­sitz, da die Stra­ße, wo ich mich zu­fäl­lig be­fand, von bei­den Sei­ten durch Bar­ri­ka­den ge­sperrt wurde. Nur mit knap­per Not konn­te man mich wie­der nach mei­ner Be­hau­sung brin­gen. Ge­le­gen­heit hatte ich hier voll­auf das Ta­lent zu be­wun­dern, das die Fran­zo­sen bei dem Bau ihrer Bar­ri­ka­den be­ur­kun­den. Jene hohen Boll­wer­ke und Ver­schan­zun­gen, zu deren An­fer­ti­gung die deut­sche Gründ­lich­keit ganze Tage be­dürf­te, sie wer­den hier in ei­ni­gen Mi­nu­ten im­pro­vi­siert, sie sprin­gen wie durch Zau­ber aus dem Boden her­vor, und man soll­te glau­ben die Erd­geis­ter hät­ten dabei un­sicht­bar die Hand im Spiel. Die Fran­zo­sen sind das Volk der Ge­schwin­dig­keit. Die Hel­den­ta­ten die sie in jenen Fe­bru­ar­ta­gen ver­rich­te­ten, er­fül­len uns eben­falls wie­der mit Er­stau­nen, aber wir wol­len uns doch nicht davon ver­blüf­fen las­sen.

Q1)

Paris, 3. März  

,,Ich habe Ihnen über die Er­eig­nis­se der drei gro­ßen Fe­bru­ar­ta­ge noch nicht schrei­ben kön­nen, denn der Kopf war mir ganz be­täubt. Be­stän­dig Ge­trom­mel, Schie­ßen und Mar­seil­lai­se. Letz­te­re, das un­auf­hör­li­che Lied spreng­te mir fast das Ge­hirn und ach! Das staats­ge­fähr­lichs­te Ge­dan­ken­ge­sin­del, das ich dort seit Jah­ren ein­ge­ker­kert hielt, brach wie­der her­vor. Um den Auf­ruhr, der in mei­nem Ge­mü­te ent­stand, ei­ni­ger­ma­ßen zu dämp­fen, summ­te ich zu­wei­len vor mich hin ir­gend­ei­ne hei­mat­lich from­me Me­lo­die, z. B. »Heil dir im Sie­ger­kranz« oder »Üb du nur Treu und Red­lich­keit« – ver­ge­bens. Der wel­sche Teu­fels­ge­sang über­dröhn­te in mir alle bes­sern Laute. Ich fürch­te die dä­mo­ni­schen Fre­vel­tö­ne wer­den in Bälde auch euch zu Ohren kom­men und ihr wer­det eben­falls ihre ver­lo­cken­de Macht er­fah­ren. So un­ge­fähr muß das Lied ge­klun­gen haben, das der Rat­ten­fän­ger von Ha­meln pfiff. Wie­der­holt sich der große Autor? Geht ihm die Schöp­fungs­kraft aus? Hat er das Drama das er uns vo­ri­gen Fe­bru­ar zum bes­ten gab, nicht schon vor acht­zehn Jah­ren eben­falls zu Paris auf­füh­ren las­sen unter dem Titel »Die Ju­li­us­re­vo­lu­ti­on«? […] Ich hatte einen guten Platz um der Vor­stel­lung bei­zu­woh­nen, ich hatte gleich­sam einen Sperr­sitz, da die Stra­ße, wo ich mich zu­fäl­lig be­fand, von bei­den Sei­ten durch Bar­ri­ka­den ge­sperrt wurde. Nur mit knap­per Not konn­te man mich wie­der nach mei­ner Be­hau­sung brin­gen. Ge­le­gen­heit hatte ich hier voll­auf das Ta­lent zu be­wun­dern, das die Fran­zo­sen bei dem Bau ihrer Bar­ri­ka­den be­ur­kun­den. Jene hohen Boll­wer­ke und Ver­schan­zun­gen, zu deren An­fer­ti­gung die deut­sche Gründ­lich­keit ganze Tage be­dürf­te, sie wer­den hier in ei­ni­gen Mi­nu­ten im­pro­vi­siert, sie sprin­gen wie durch Zau­ber aus dem Boden her­vor, und man soll­te glau­ben die Erd­geis­ter hät­ten dabei un­sicht­bar die Hand im Spiel. Die Fran­zo­sen sind das Volk der Ge­schwin­dig­keit. Die Hel­den­ta­ten die sie in jenen Fe­bru­ar­ta­gen ver­rich­te­ten, er­fül­len uns eben­falls wie­der mit Er­stau­nen, aber wir wol­len uns doch nicht davon ver­blüf­fen las­sen.

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Auch an­de­re Leute haben Mut: der Mensch ist sei­ner Natur nach eine tap­fe­re Bes­tie. Die To­des­ver­ach­tung womit die fran­zö­si­schen Ou­vriers ge­foch­ten haben, soll­te uns ei­gent­lich nur des­halb in Ver­wun­de­rung set­zen weil sie kei­nes­wegs aus einem re­li­gi­ö­sen Be­wußt­sein ent­springt und kei­nen Halt fin­det in dem schö­nen Glau­ben an ein Jen­seits, wo man den Lohn dafür be­kömmt, daß man hier auf Erden fürs Va­ter­land ge­stor­ben ist. Eben­so groß wie die Tap­fer­keit, ich möch­te auch sagen eben­so un­ei­gen­nüt­zig, war die Ehr­lich­keit wo­durch jene armen Leute in Kit­tel und Lum­pen sich aus­zeich­ne­ten. Ja, ihre Ehr­lich­keit war un­ei­gen­nüt­zig und da­durch ver­schie­den von jener krä­mer­haf­ten Be­rech­nung, wo­nach durch aus­dau­ern­de Ehr­lich­keit mehr Kun­den und Ge­winn ent­steht als durch die Be­frie­di­gung die­bi­scher Ge­lüs­te, die uns am Ende doch nicht weit för­dern: ehr­lich währt am längs­ten. Die Rei­chen waren nicht wenig dar­über er­staunt, daß die armen Hun­ger­lei­der die wäh­rend drei Tagen in Paris herrsch­ten, sich doch nie an frem­dem Ei­gen­tum ver­grif­fen. Die Rei­chen zit­ter­ten für ihre Geld­kas­ten und mach­ten große Augen als nir­gends ge­stoh­len wurde. Die Stren­ge, womit das Volk gegen et­wel­che Diebe ver­fuhr, die man auf der Tat er­tapp­te, war man­chen sogar nicht ganz recht, und es ward ge­wis­sen Leu­ten bei­na­he un­heim­lich zu­mu­te als sie ver­nah­men, daß man Diebe auf der Stel­le er­schie­ße. Unter einem sol­chen Re­gi­men­te, dach­ten sie ist man am Ende doch sei­nes Le­bens nicht si­cher. Zer­stört ward vie­les von der Volks­wut, zumal im Pa­lais Royal und in den Tui­le­rien, ge­plün­dert ward nir­gends. Nur Waf­fen nahm man wo man sie fand, und in jenen kö­nig­li­chen Pa­läs­ten ward auch dem Volk er­laubt die vor­ge­fun­de­nen Le­bens­mit­tel sich zu­zu­eig­nen. Ein Junge von 15 Jah­ren, der in un­serm Hause wohnt und sich mit­ge­schla­gen, brach­te sei­ner kran­ken Groß­mutter einen Topf Kon­fi­tü­ren mit, die er in den Tui­le­rien er­ober­te. Der klei­ne Held hatte nichts davon ge­nascht und brach­te den Topf un­er­bro­chen nach Haus. Wie freu­te er sich, daß die alte Frau die Kon­fi­tü­ren Lud­wig Phil­ipps, wie er sie nann­te, so äu­ßerst wohl­schme­ckend fand. Armer Lud­wig Phil­ipp! In so hohem Alter wie­der zum Wan­der­stab grei­fen! Und in das ne­bel­kal­te Eng­land, wo die Kon­fi­tü­ren des Exils dop­pelt bit­ter schme­cken!"



Aus­zü­ge zi­tiert nach: Augs­bur­ger All­ge­mei­ne Zei­tung vom 9. März 1848

Auch an­de­re Leute haben Mut: der Mensch ist sei­ner Natur nach eine tap­fe­re Bes­tie. Die To­des­ver­ach­tung womit die fran­zö­si­schen Ou­vriers ge­foch­ten haben, soll­te uns ei­gent­lich nur des­halb in Ver­wun­de­rung set­zen weil sie kei­nes­wegs aus einem re­li­gi­ö­sen Be­wußt­sein ent­springt und kei­nen Halt fin­det in dem schö­nen Glau­ben an ein Jen­seits, wo man den Lohn dafür be­kömmt, daß man hier auf Erden fürs Va­ter­land ge­stor­ben ist. Eben­so groß wie die Tap­fer­keit, ich möch­te auch sagen eben­so un­ei­gen­nüt­zig, war die Ehr­lich­keit wo­durch jene armen Leute in Kit­tel und Lum­pen sich aus­zeich­ne­ten. Ja, ihre Ehr­lich­keit war un­ei­gen­nüt­zig und da­durch ver­schie­den von jener krä­mer­haf­ten Be­rech­nung, wo­nach durch aus­dau­ern­de Ehr­lich­keit mehr Kun­den und Ge­winn ent­steht als durch die Be­frie­di­gung die­bi­scher Ge­lüs­te, die uns am Ende doch nicht weit för­dern: ehr­lich währt am längs­ten. Die Rei­chen waren nicht wenig dar­über er­staunt, daß die armen Hun­ger­lei­der die wäh­rend drei Tagen in Paris herrsch­ten, sich doch nie an frem­dem Ei­gen­tum ver­grif­fen. Die Rei­chen zit­ter­ten für ihre Geld­kas­ten und mach­ten große Augen als nir­gends ge­stoh­len wurde. Die Stren­ge, womit das Volk gegen et­wel­che Diebe ver­fuhr, die man auf der Tat er­tapp­te, war man­chen sogar nicht ganz recht, und es ward ge­wis­sen Leu­ten bei­na­he un­heim­lich zu­mu­te als sie ver­nah­men, daß man Diebe auf der Stel­le er­schie­ße. Unter einem sol­chen Re­gi­men­te, dach­ten sie ist man am Ende doch sei­nes Le­bens nicht si­cher. Zer­stört ward vie­les von der Volks­wut, zumal im Pa­lais Royal und in den Tui­le­rien, ge­plün­dert ward nir­gends. Nur Waf­fen nahm man wo man sie fand, und in jenen kö­nig­li­chen Pa­läs­ten ward auch dem Volk er­laubt die vor­ge­fun­de­nen Le­bens­mit­tel sich zu­zu­eig­nen. Ein Junge von 15 Jah­ren, der in un­serm Hause wohnt und sich mit­ge­schla­gen, brach­te sei­ner kran­ken Groß­mutter einen Topf Kon­fi­tü­ren mit, die er in den Tui­le­rien er­ober­te. Der klei­ne Held hatte nichts davon ge­nascht und brach­te den Topf un­er­bro­chen nach Haus. Wie freu­te er sich, daß die alte Frau die Kon­fi­tü­ren Lud­wig Phil­ipps, wie er sie nann­te, so äu­ßerst wohl­schme­ckend fand. Armer Lud­wig Phil­ipp! In so hohem Alter wie­der zum Wan­der­stab grei­fen! Und in das ne­bel­kal­te Eng­land, wo die Kon­fi­tü­ren des Exils dop­pelt bit­ter schme­cken!"



Aus­zü­ge zi­tiert nach: Augs­bur­ger All­ge­mei­ne Zei­tung vom 9. März 1848

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Terms and fur­ther ex­pla­na­ti­ons
  • "La Mar­seil­lai­se" is the na­ti­o­nal an­them of France.  The text of "La Mar­seil­lai­se" calls for a fight against ty­ran­ny and in­va­si­on and em­pha­si­zes the so­li­da­ri­ty and unity of the French people. It con­tains pas­si­o­na­te and com­ba­ti­ve pas­sa­ges that ex­press the de­ter­mi­na­ti­on of the French people to re­sist op­pres­sors.

- Rat­ten­fän­ger von Ha­meln: This me­di­eval Ger­man folk­ta­le tells of a man with a flute who pro­mi­sed to rid the town of Ha­me­lin of a pla­gue of rats. He play­ed an en­chan­ting song on his flute, and the rats fol­lo­wed him into the Weser River, where they drow­ned. Howe­ver, when the town lea­ders re­fu­sed him his pro­mi­sed re­ward, he used his flute again, but this time to lure away the child­ren of the town. They fol­lo­wed him and were never seen again.

  • Ou­vriers: French working men (lower class)

  • Lud­wig Phil­ipp: French king until 1848.

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