Industrialisierung
Mobilität und Urbanisierung
gesellschaftlicher
Wandel
Gewinner und Verlierer
Der Kulturkampf
Viele europäische Mächte gerieten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Konflikt mit der katholischen Kirche, als sie nachdrücklich die Autonomie des Staates gegen geistliche Einflüsse und Ansprüche durchzusetzen versuchten. Im Kaiserreich forcierte Reichskanzler Otto von Bismarck die strikte Trennung von Kirche und Staat und hoffte, durch die Eindämmung der Zentrumspartei als Vertreter des politischen Katholizismus die weitgehende Verdrängung der katholischen Kirche aus politischen und staatlichen Entscheidungsprozessen zu erreichen. Das noch vor der Reichsgründung gebildete Zentrum sah Bismarck als Speerspitze einer "schwarzen Internationale", die von Rom aus antinationalistisch regiert werde. In Allianz mit den katholisch geprägten Ländern Polen, Österreich und Frankreich sowie mit bayerischen Partikularisten warf er den "Reichsfeinden" des preußisch-protestantischen Kaisertums die Bekämpfung der nationalen Einheit vor. Zugleich erkannte der Pragmatiker Bismarck, dass die Zentrumspartei mit ihrer schichtenübergreifenden Massenbasis zu einer unangenehmen Opposition im Reichstag werden konnte. [...] Im Dezember 1871 wurde der "Kanzelparagraph" ins Strafgesetzbuch aufgenommen, der Geistlichen unter der Androhung von Haftstrafen verbot, von der Kanzel staatliche Angelegenheiten kritisch zu erörtern. Das preußisches Schulaufsichtsgesetz vom März 1872 schränke den Einfluss der beiden christlichen Konfessionen auf die Schulen ein. [...] Trotz aller Schikanen verfehlte Bismarck sein Ziel. Der Kampf gegen Katholiken verstärkte eher die innerkirchliche Solidarität, die Bindung an den Papst und die Identifikation mit dem Papsttum. Bisherige Interessensgegensätze zwischen liberalen und konservativen Katholiken rückten in den Hintergrund. Das katholische Vereins- und Verbandswesens erlebte ebenso einen deutlichen Aufschwung wie die katholische Presse, die ungeachtet der repressiven Maßnahmen die Politik des Zentrums massiv unterstützte. Bei den Reichstagswahlen 1877 und 1878 konnte sich die Zentrumspartei als zweitstärkste Fraktion im Parlament etablieren.
Viele europäische Mächte gerieten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Konflikt mit der katholischen Kirche, als sie nachdrücklich die Autonomie des Staates gegen geistliche Einflüsse und Ansprüche durchzusetzen versuchten. Im Kaiserreich forcierte Reichskanzler Otto von Bismarck die strikte Trennung von Kirche und Staat und hoffte, durch die Eindämmung der Zentrumspartei als Vertreter des politischen Katholizismus die weitgehende Verdrängung der katholischen Kirche aus politischen und staatlichen Entscheidungsprozessen zu erreichen. Das noch vor der Reichsgründung gebildete Zentrum sah Bismarck als Speerspitze einer "schwarzen Internationale", die von Rom aus antinationalistisch regiert werde. In Allianz mit den katholisch geprägten Ländern Polen, Österreich und Frankreich sowie mit bayerischen Partikularisten warf er den "Reichsfeinden" des preußisch-protestantischen Kaisertums die Bekämpfung der nationalen Einheit vor. Zugleich erkannte der Pragmatiker Bismarck, dass die Zentrumspartei mit ihrer schichtenübergreifenden Massenbasis zu einer unangenehmen Opposition im Reichstag werden konnte. [...] Im Dezember 1871 wurde der "Kanzelparagraph" ins Strafgesetzbuch aufgenommen, der Geistlichen unter der Androhung von Haftstrafen verbot, von der Kanzel staatliche Angelegenheiten kritisch zu erörtern. Das preußisches Schulaufsichtsgesetz vom März 1872 schränke den Einfluss der beiden christlichen Konfessionen auf die Schulen ein. [...] Trotz aller Schikanen verfehlte Bismarck sein Ziel. Der Kampf gegen Katholiken verstärkte eher die innerkirchliche Solidarität, die Bindung an den Papst und die Identifikation mit dem Papsttum. Bisherige Interessensgegensätze zwischen liberalen und konservativen Katholiken rückten in den Hintergrund. Das katholische Vereins- und Verbandswesens erlebte ebenso einen deutlichen Aufschwung wie die katholische Presse, die ungeachtet der repressiven Maßnahmen die Politik des Zentrums massiv unterstützte. Bei den Reichstagswahlen 1877 und 1878 konnte sich die Zentrumspartei als zweitstärkste Fraktion im Parlament etablieren.
Der Kulturkampf
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Antisemitismus
Die in Deutschland seit der Revolution von 1848/49 immer stärker geforderte Gleichberechtigung des jüdischen Bevölkerungsteils war in der Reichsverfassung von 1871 verankert. Damit war die Emanzipation der etwa 512.000 Juden im Deutschen Reich (1,25 Prozent der Gesamtbevölkerung) formal abgeschlossen. Doch gegen die Assimilation der Juden wandte sich eine antisemitische Propaganda, deren Judenfeindschaft nicht mehr nur religiös, sondern rassisch begründet wurde. Schon in der Wirtschaftskrise der 1870er Jahre waren Rassismus und Antisemitismus vernehmbar. Wenig später entstanden die ersten antisemitischen Parteien. Aus der theologisch-historischen Literatur des späten 18. Jahrhunderts hatten Sprachwissenschaftler und Völkerkundler den Begriff "Semiten" übernommen. Dessen linguistisch-ethnologischer Gebrauch diente der Beschreibung des "Volkscharakters" der Juden. Durch Hinzufügung von Elementen der "Rassenlehre" wurde aus dem "Volkscharakter" im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein weitgehend unabänderlicher "Rassencharakter". Die Verschiedenartigkeit wurde nun als Verschiedenwertigkeit verstanden. "Jüdischen Geist" setzten die Antisemiten gleich mit allen negativen Auswirkungen der Modernisierung, vor allem mit Kapitalismus und Ausbeutung, aber auch mit Sozialismus und Marxismus. Diesem "seelenlosen Materialismus" wurde der "deutsche Idealismus" als positiv besetzter Wert gegenübergestellt. [...] Einen Höhepunkt erreichten die antisemitischen Parteien 1893, als sie bei den mit 2,9 Prozent der Stimmen 16 Mandate errangen. Danach verloren die antisemitischen Parteien zwar an Einfluss, aber Verbände und Vereine wie der politisch einflussreiche Bund der Landwirte, der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband als wichtigste Gewerkschaftsorganisation der Angestellten, die Vereine deutscher Studenten, studentische Korporationen und Burschenschaften sowie nicht zuletzt der Alldeutsche Verband und der Reichshammerbund bekannten sich eindeutig und nachdrücklich zum Antisemitismus. Traditionell antisemitisch eingestellt war auch das im Kaiserreich hoch angesehene Offizierskorps.
Zur zukünftigen Bedeutung der "Judenfrage" erklärte das Hamburger Programm der Vereinigten Antisemitenparteien 1899, die "Judenfrage" werde sich im 20. Jahrhundert zur "Weltfrage" entwickeln; sie könne nur "durch völlige Absonderung und ... schließliche Vernichtung des Judenvolkes gelöst werden".
Die in Deutschland seit der Revolution von 1848/49 immer stärker geforderte Gleichberechtigung des jüdischen Bevölkerungsteils war in der Reichsverfassung von 1871 verankert. Damit war die Emanzipation der etwa 512.000 Juden im Deutschen Reich (1,25 Prozent der Gesamtbevölkerung) formal abgeschlossen. Doch gegen die Assimilation der Juden wandte sich eine antisemitische Propaganda, deren Judenfeindschaft nicht mehr nur religiös, sondern rassisch begründet wurde. Schon in der Wirtschaftskrise der 1870er Jahre waren Rassismus und Antisemitismus vernehmbar. Wenig später entstanden die ersten antisemitischen Parteien. Aus der theologisch-historischen Literatur des späten 18. Jahrhunderts hatten Sprachwissenschaftler und Völkerkundler den Begriff "Semiten" übernommen. Dessen linguistisch-ethnologischer Gebrauch diente der Beschreibung des "Volkscharakters" der Juden. Durch Hinzufügung von Elementen der "Rassenlehre" wurde aus dem "Volkscharakter" im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein weitgehend unabänderlicher "Rassencharakter". Die Verschiedenartigkeit wurde nun als Verschiedenwertigkeit verstanden. "Jüdischen Geist" setzten die Antisemiten gleich mit allen negativen Auswirkungen der Modernisierung, vor allem mit Kapitalismus und Ausbeutung, aber auch mit Sozialismus und Marxismus. Diesem "seelenlosen Materialismus" wurde der "deutsche Idealismus" als positiv besetzter Wert gegenübergestellt. [...] Einen Höhepunkt erreichten die antisemitischen Parteien 1893, als sie bei den mit 2,9 Prozent der Stimmen 16 Mandate errangen. Danach verloren die antisemitischen Parteien zwar an Einfluss, aber Verbände und Vereine wie der politisch einflussreiche Bund der Landwirte, der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband als wichtigste Gewerkschaftsorganisation der Angestellten, die Vereine deutscher Studenten, studentische Korporationen und Burschenschaften sowie nicht zuletzt der Alldeutsche Verband und der Reichshammerbund bekannten sich eindeutig und nachdrücklich zum Antisemitismus. Traditionell antisemitisch eingestellt war auch das im Kaiserreich hoch angesehene Offizierskorps.
Zur zukünftigen Bedeutung der "Judenfrage" erklärte das Hamburger Programm der Vereinigten Antisemitenparteien 1899, die "Judenfrage" werde sich im 20. Jahrhundert zur "Weltfrage" entwickeln; sie könne nur "durch völlige Absonderung und ... schließliche Vernichtung des Judenvolkes gelöst werden".
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Politik
Politik und Gesellschaft
Gesellschaft
Reaktionen auf die Hochmoderne
Reaktionen auf die Hochmoderne
Politik
Politik und Gesellschaft
Gesellschaft
Ausbau des Staates, Zurückdrängen der Kirche
> Kulturkampf Bismarcks gegen die katholische Kirche
Radikalnationalismus
Beschleunigung
Massenpolitisierung
Militarismus
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen
Antisemitismus
Sozialdarwinismus
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