Oliver Nail.
Oliver Nail
„Hallo! Suchst du Arbeit? Ja, hier stehen morgens immer ganz viele Leute und vor allem Kinder, die um Arbeit betteln. Ich habe Arbeit in einer Spinnereifabrik. Jeden Tag 12 bis 16 Stunden, manchmal ohne Pause.
Mein Name ist übrigens Oliver, Oliver Nail. Ich bin neun und das drittälteste Kind in meiner Familie. Mein Vater war bis vor zwei Jahren Hafenarbeiter, aber dann hat er sich das Bein gebrochen. Wir konnten uns keinen Arzt leisten, der Bruch heilte nicht ordentlich und Vater wird nie wieder arbeiten können. Auch Mutter ist arbeitslos. Vor zwei Jahren verlor sie ihren Job in einer Baumwollspinnerei. Keine Ahnung warum, aber auf jeden Fall müssen meine Geschwister und ich jetzt das Geld verdienen. Insgesamt hatte ich mal sechs Brüder und drei Schwestern aber vier von ihnen sind gestorben.
Vor einer viertel Stunde hat Mutter mich geweckt, aber viel geschlafen habe ich sowieso nicht, weil ich mit meinen älteren Brüdern in einem Bett schlafen muss und irgendeiner mich immer tritt oder rauswirft. Aber wenigstens ist es so nachts etwas warm, denn Heizmaterial können wir uns nicht leisten.
Zum Frühstück gab es Haferschleimsuppe – wie jeden Morgen. Einmal im Leben möchte ich ein Brötchen bekommen, nur ein einziges Mal.
Jetzt bin ich unterwegs zu meiner Arbeit. Ich arbeite in der Spinnereifabrik da drüben. Sie gehört dem Mann, der uns auch unsere Wohnung vermietet hat und er hat uns sagen lassen, dass wir sofort aus unserer Einzimmerwohnung rausgeworfen werden, wenn wir die Miete nicht bezahlen. Dann sitzen wir auf der Straße wie so viele andere.
Oh, verdammt! Das ist die Fabriksirene. Es ist fünf Uhr und wenn ich nicht in zwei Minuten an meinem Arbeitsplatz stehe, dann schlägt mich der Aufseher oder noch schlimmer, ich verliere sofort meine Arbeit. Aber eigentlich will ich auch gar nicht rein in die Fabrik. Da drin ist es unglaublich laut – hört ihr die Spinnmaschinen?
Außerdem ist es stickig und so voller Staub, dass ich kaum atmen kann.
Was ich den ganzen Tag tue wollt ihr wissen? Ich bin dafür verantwortlich, dass die Spinnmaschine ohne Unterbrechung läuft und außerdem muss ich gerissene Fäden zusammenknoten. Wenn ich doch nur nicht so müde wäre.“
aus: Praxis Geschichte. Zeitschrift für den Geschichtsunterricht in der Sek. I/II. Arbeit im Industriezeitalter. Westermann/ Schroedel. Braunschweig, September 2005.
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Oliver Nail.
Oliver findet schnell wieder eine Spinnereifabrik, in der er arbeiten kann. Sein Leben verändert sich deshalb nicht und er muss immer noch um 4:30 Uhr aufstehen und dann bis abends in der Fabrik schuften.
...Die jüngsten Kinder in [meiner neuen] [...] Fabrik sind sieben Jahre alt. sie schlafen häufig bei der Arbeit ein und werden dann vom Aufseher durch einen Fußtritt geweckt. Niemand kümmert sich um unser Los. Die Erwachsenen behandeln uns mit Gleichgültigkeit, sie wirken völlig abgestumpft.
Von 12 bis 1 Uhr ist Mittagspause. Das ist der schönste Teil des Tages. Ich setze mich mit anderen Kindern in den Fabrikhof und esse ein Stück trockenes Brot. Manchmal dringt sogar die Sonne durch die schmutzige, rußige Luft der Stadt.
Einige Kinder, die sehr erschöpft sind, fallen mittags in einen tiefen Schlaf. Man kann sie dann kaum wieder wecken.
Um 8 Uhr abends ist mein Arbeitstag beendet, ich wanke nach Hause, kann mich aber noch nicht ausruhen, denn nun muss ich zur Schule. Hastig esse ich ein paar Kartoffeln, säubere meine Kleidung so gut es geht und eile zur Schule, die am anderen Ende der Stadt liegt [und um 8:30 beginnt]. Ein mürrischer, alter Lehrer versucht uns das Lesen, Schreiben, Rechnen beizubringen. Er gibt sich nicht sehr viel Mühe dabei, sein wichtigstes Instrument ist ein Rohrstock, mit dem er uns auf die Hände schlägt, wenn wir unaufmerksam sind oder einschlafen. Ich kann nur sehr schlecht lesen und schreiben, fast gar nicht, obwohl ich mich sehr anstrenge. Um 10 Uhr können wir dann endlich nach Hause gehen. Ich bin zu müde, um noch mit den Eltern zu reden oder um etwas anderes zu tun. Ich möchte nur noch schlafen, schlafen, schlafen. [...] Ein Familienleben kenne ich nicht.
Der Sonntag wird im Bett verbracht, um sich zu erholen. Mein größter Wunsch ist es mich einmal satt essen zu können, neue Kleidung und ein eigenes Bett zu besitzen und nicht so viel arbeiten zu müssen. Auch würde ich gern gut lesen, schreiben und rechnen lernen, damit ich später einmal einen besseren Beruf ergreifen kann. Aber das wird wohl nichts werden. Ich werde sicher immer so weiterleben müssen.
aus: Praxis Geschichte. Zeitschrift für den Geschichtsunterricht in der Sek. I/II. Arbeit im Industriezeitalter. Westermann/ Schroedel. Braunschweig, September 2005.
Mit dem Etherpad könnt ihr gemeinsam an einem Dokument arbeiten und das trotz Homeschooling. Hier könnt ihr gemeinsam eure Ideen sammeln und jederzeit darauf zurückgreifen.
M6: Etherpad Gruppendiskussion
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