Eine schöne Beziehungvon Henning Venske aus dem Jahr 1983 aufmerksam durch.
Henning Venske (1983): Eine schöne Beziehung
Grete Hehmke hatte das nordfriesische Dorf, in dem sie geboren und aufgewachsen war, nur einmal in ihrem Leben für längere Zeit verlassen: vor 50 Jahren, 1933, als eine dreiwöchige Hochzeitsreise ihr den unauslöschlichen Eindruck vermittelte, dass es im südlichen Harz immer regnet. Ihr Mann war ja nun tot. Aber Grete Hehmkes Lust zu leben war noch nicht erschöpft. Es gab mehr als nur den einen Edeka-Laden, das wusste sie genau.
Mit dem Autobus in die Kreisstadt - das war schon ein Erlebnis! Gierig nach neuen Eindrücken warf sie sich energisch ins Getümmel. Sie war aufgeregt, glücklich, neugierig. Futter für den alten Kopf. Wunderbar. Als Höhepunkt das Warenhaus. Nein, so was Schönes aber auch!
Hunger! Restaurant? Da! Ein frischer Tisch. Handtasche über die Stuhllehne hängen, Mantel an den Haken, in Blickrichtung. Hinsetzen, Erleichterung. Bedienung kommt nicht. Aha, es gibt gar keine Bedienung hier. Genau hinsehen, wie die anderen das machen. Kapiert.
Grete Hehmke verlässt ihren Tisch, reiht sich ein in die Schlange, greift sich das orangefarbene Tablett. Ordert selbstbewusst Kohlrouladen mit Salzkartoffeln und einen Karamelpudding, eine Brause dazu, bezahlt an der Kasse. Teuer ist es ja, muss man schon sagen. Trägt das Tablett zu ihrem Tisch, nimmt Platz. Die Kohlroulade sieht elend aus, man müsste ihr mal was zu futtern geben - Grete Hehmke ist voller Heiterkeit. Aber sie hat kein Besteck. Wo bekommt man hier denn Messer und Gabel? Einen kleinen Löffel braucht sie auch. Und eine Serviette. Aha, da neben den orangefarbenen Tabletts. Aufstehen, hingehen, holen. Grete Hehmke kommt an ihren Tisch zurück.
Sie stutzt, setzt sich. Auf ihrem Platz hockt ein Neger und isst von ihrem Teller. Ganz manierlich. Es schmeckt ihm. Grete Hehmke nimmt gegenüber von dem schwarzen Mann Platz. Der lächelt einladend. Grete Hehmke wundert sich über nichts mehr. Sie lächelt ebenfalls freundlich und zieht das orangefarbene Tablett behutsam, aber bestimmt in die Tischmitte. Die Portionen in diesem Kaufhaus sind ja reichlich bemessen, das reicht schon für zwei. Sie speisen. Teilen jede Kartoffel, er schiebt ihr ein besonders appetitliches Gürkchen zu, sie überlässt ihm ein größeres Stück Roulade. Er ist schließlich ein kräftiger junger Mann. Der Neger gießt gelbe Brause in sein Glas, bietet ihr zuvorkommend an, trinkt selbst aus der Flasche. Manchmal klappern ihre Teelöffel gegeneinander, wie sie sich den Pudding geschwisterlich teilen.
Eine Unterhaltung findet darüber hinaus nicht statt. Nur gelegentlich ein Blick des Einverständnisses. Seele essen Angst auf. Mit den Papierservietten die Münder abwischen, ein liebenswürdiges Kopfnicken, der Neger steht auf und geht.
Na, dankeschön hätte er ja wenigstens sagen können. Grete Hehmke hat doch Grund, an den Umgangsformen der Schwarzen zu zweifeln. Ihre Handtasche ist weg. Sie hing über der Lehne des Stuhls, auf dem dieser Neger saß. Auf, auf! Hinterher! Haltet den Dieb! Eben geht er hinaus.
Grete Hehmke dreht sich um, stößt an den Stuhl in ihrem Rücken. Gott sei Dank! Da hängt ja die Handtasche. Es gibt auch anständige Neger. Die Kohlroulade auf dem orangefarbenen Tablett auf dem Nebentisch ist leider schon etwas kalt. Aber den Karamellpudding könnte sie noch essen. Na, und eine halbe Brause schafft sie wohl auch noch...
Eine schöne Beziehungvon Henning Venske vorkommen. Schreibe hierfür am besten in eine Tabelle.
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