Martin Dinges: Corona ist doch nicht die Pest (2020)
Prof. Dr. Martin Dinges schreibt im Jahr 2020 einen Zeitschriftenartikel für die US-amerikanische Nationalbibliothek der Medizin, der hier auszugsweise vorliegt:
[…] Um die Entstehung der Krankheit [gemeint ist: die Pest, Anm.] zu erklären, griff man im Spätmittelalter auf drei Wissensformen zurück, die als gleichwertig galten. […]
Wissenschaftliches Wissen: Schlechte Dämpfe aus dem Boden und von Abfällen vertrieb man durch Feuer, räucherte Wohnungen von Pestkranken aus und zwang die Anwohner zur Straßenreinigung. Seit der Antike gab es die Idee einer Ansteckung durch Krankheitskeime, aber sie wurde nie empirisch belegt.
Theologische Erklärungen: Die katholische Kirche deutete die Pest als Strafe Gottes. Die Reformatoren sahen sie nur als Glaubensprüfung. Beten und Buße tun waren das Gebot der Stunde. […]
Genaue Beobachtung: In oberitalienischen Städten fiel bald auf, dass die ersten Fälle in den ärmeren Vierteln gemeldet wurden und sich von dort ausbreiteten. Die Polizei entdeckte die Bedeutung von ambulanten [umherwandernden, Anm.] Händlern und Bettlern. Verbote richteten sich deshalb vor allem gegen diese Gruppen. Man handelte also, obwohl man noch nicht alle Zusammenhänge durchschaut hatte.
Was war wichtiger? Das persönliche und kollektive Seelenheil oder die öffentliche Gesundheitsvorsorge? Konkret wurden solche Konflikte, wenn der Bischof einen Bittgottesdienst oder eine Prozession [katholische Kirchenfeier, Anm.] vorschlug. Da die Seuche eine Strafe Gottes sein konnte, waren solche Maßnahmen durchaus rational
. Zeitgleich beobachteten Ärzte die Ansteckungsverläufe in der Stadt genau: Die Suche nach eindeutigen Symptomen - etwa Pestbeulen - zeigten Verbreitungsmuster von Person zu Person, Haus zu Haus. Treffen von mehreren Personen galten bald als Ansteckungsherde. Mit diesem neuen Wissen mussten die Obrigkeiten zwischen der Förderung des Seelenheils und der Vermeidung weiterer Ansteckungen abwägen. […]
[…] Um die Entstehung der Krankheit [gemeint ist: die Pest, Anm.] zu erklären, griff man im Spätmittelalter auf drei Wissensformen zurück, die als gleichwertig galten. […]
Wissenschaftliches Wissen: Schlechte Dämpfe aus dem Boden und von Abfällen vertrieb man durch Feuer, räucherte Wohnungen von Pestkranken aus und zwang die Anwohner zur Straßenreinigung. Seit der Antike gab es die Idee einer Ansteckung durch Krankheitskeime, aber sie wurde nie empirisch belegt.
Theologische Erklärungen: Die katholische Kirche deutete die Pest als Strafe Gottes. Die Reformatoren sahen sie nur als Glaubensprüfung. Beten und Buße tun waren das Gebot der Stunde. […]
Genaue Beobachtung: In oberitalienischen Städten fiel bald auf, dass die ersten Fälle in den ärmeren Vierteln gemeldet wurden und sich von dort ausbreiteten. Die Polizei entdeckte die Bedeutung von ambulanten [umherwandernden, Anm.] Händlern und Bettlern. Verbote richteten sich deshalb vor allem gegen diese Gruppen. Man handelte also, obwohl man noch nicht alle Zusammenhänge durchschaut hatte.
Was war wichtiger? Das persönliche und kollektive Seelenheil oder die öffentliche Gesundheitsvorsorge? Konkret wurden solche Konflikte, wenn der Bischof einen Bittgottesdienst oder eine Prozession [katholische Kirchenfeier, Anm.] vorschlug. Da die Seuche eine Strafe Gottes sein konnte, waren solche Maßnahmen durchaus rational
. Zeitgleich beobachteten Ärzte die Ansteckungsverläufe in der Stadt genau: Die Suche nach eindeutigen Symptomen - etwa Pestbeulen - zeigten Verbreitungsmuster von Person zu Person, Haus zu Haus. Treffen von mehreren Personen galten bald als Ansteckungsherde. Mit diesem neuen Wissen mussten die Obrigkeiten zwischen der Förderung des Seelenheils und der Vermeidung weiterer Ansteckungen abwägen. […]
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Quelle: National Library of Medicine. Online unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7256474/ [letzter Aufruf am 11.05.2023].