• Klausur III Untersuchendes Schreiben: Emilia Galotti
  • anonym
  • 16.06.2025
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In­ter­pre­tie­ren Sie die fol­gen­de Dra­men­sze­ne aus Gott­hold Ephra­im Les­sings bür­ger­li­chen Trau­er­spiel Emi­lia Ga­lot­ti aus dem Jahre 1772:

V. Auf­zug, 5. Auf­tritt
Der Prinz. Ma­ri­nel­li. Odo­ar­do Ga­lot­ti.

Der Prinz. Ah, mein lie­ber, recht­schaff­ner Ga­lot­ti – so etwas muß auch ge­sche­hen, wenn ich Sie bei mir sehen soll. Um ein Ge­rin­ge­res tun Sie es nicht. Doch keine Vor­wür­fe!



Odo­ar­do. Gnä­di­ger Herr, ich halte es in allen Fäl­len für un­an­stän­dig, sich zu sei­nem Fürs­ten zu drän­gen. Wen er kennt, den wird er fo­dern las­sen, wenn er sei­ner be­darf. Selbst itzt bitte ich um Ver­zei­hung –



Der Prinz. Wie man­chem an­dern woll­te ich diese stol­ze Be­schei­den­heit wün­schen! – Doch zur Sache. Sie wer­den be­gie­rig sein, Ihre Toch­ter zu sehen. Sie ist in neuer Un­ru­he wegen der plötz­li­chen Ent­fer­nung einer so zärt­li­chen Mut­ter. – Wozu auch diese Ent­fer­nung? Ich war­te­te nur, daß die lie­bens­wür­di­ge Emi­lie sich völ­lig er­ho­let hätte, um beide im Tri­um­phe nach der Stadt zu brin­gen. Sie haben mir die­sen Tri­umph um die Hälf­te ver­küm­mert, aber ganz werde ich mir ihn nicht neh­men las­sen.



Odo­ar­do. Zu viel Gnade! – Er­lau­ben Sie, Prinz, daß ich mei­nem un­glück­li­chen Kinde alle die man­nig­fal­ti­gen Krän­kun­gen er­spa­re, die Freund und Feind, Mit­leid und Scha­den­freu­de in Gu­astal­la für sie be­reit hal­ten.



Der Prinz. Um die süßen Krän­kun­gen des Freun­des und des Mit­leids, würde es Grau­sam­keit sein, sie zu brin­gen. Daß aber die Krän­kun­gen des Fein­des und der Scha­den­freu­de sie nicht er­rei­chen sol­len, dafür, lie­ber Ga­lot­ti, las­sen Sie mich sor­gen.



Odo­ar­do. Prinz, die vä­ter­li­che Liebe tei­let ihre Sor­gen nicht gern. – Ich denke, ich weiß es, was mei­ner Toch­ter in ihren it­zi­gen Um­stän­den ein­zig zie­met – Ent­fer­nung aus der Welt – ein Klos­ter – so­bald als mög­lich.



Der Prinz. Ein Klos­ter?



Odo­ar­do. Bis dahin weine sie unter den Augen ihres Va­ters.



Der Prinz. So viel Schön­heit soll in einem Klos­ter ver­blü­hen? – Darf eine ein­zi­ge fehl­ge­schla­ge­ne Hoff­nung uns gegen die Welt so un­ver­söhn­lich ma­chen? – Doch al­ler­dings: dem Vater hat nie­mand ein­zu­re­den. Brin­gen Sie Ihre Toch­ter, Ga­lot­ti, wohin Sie wol­len.



Odo­ar­do (gegen Ma­ri­nel­li). Nun, mein Herr?



Ma­ri­nel­li. Wenn Sie mich sogar auf­fo­dern!



Odo­ar­do. O mit­nich­ten, mit­nich­ten.



Der Prinz. Was haben Sie beide?



Der Prinz. Ah, mein lie­ber, recht­schaff­ner Ga­lot­ti – so etwas muß auch ge­sche­hen, wenn ich Sie bei mir sehen soll. Um ein Ge­rin­ge­res tun Sie es nicht. Doch keine Vor­wür­fe!



Odo­ar­do. Gnä­di­ger Herr, ich halte es in allen Fäl­len für un­an­stän­dig, sich zu sei­nem Fürs­ten zu drän­gen. Wen er kennt, den wird er fo­dern las­sen, wenn er sei­ner be­darf. Selbst itzt bitte ich um Ver­zei­hung –



Der Prinz. Wie man­chem an­dern woll­te ich diese stol­ze Be­schei­den­heit wün­schen! – Doch zur Sache. Sie wer­den be­gie­rig sein, Ihre Toch­ter zu sehen. Sie ist in neuer Un­ru­he wegen der plötz­li­chen Ent­fer­nung einer so zärt­li­chen Mut­ter. – Wozu auch diese Ent­fer­nung? Ich war­te­te nur, daß die lie­bens­wür­di­ge Emi­lie sich völ­lig er­ho­let hätte, um beide im Tri­um­phe nach der Stadt zu brin­gen. Sie haben mir die­sen Tri­umph um die Hälf­te ver­küm­mert, aber ganz werde ich mir ihn nicht neh­men las­sen.



Odo­ar­do. Zu viel Gnade! – Er­lau­ben Sie, Prinz, daß ich mei­nem un­glück­li­chen Kinde alle die man­nig­fal­ti­gen Krän­kun­gen er­spa­re, die Freund und Feind, Mit­leid und Scha­den­freu­de in Gu­astal­la für sie be­reit hal­ten.



Der Prinz. Um die süßen Krän­kun­gen des Freun­des und des Mit­leids, würde es Grau­sam­keit sein, sie zu brin­gen. Daß aber die Krän­kun­gen des Fein­des und der Scha­den­freu­de sie nicht er­rei­chen sol­len, dafür, lie­ber Ga­lot­ti, las­sen Sie mich sor­gen.



Odo­ar­do. Prinz, die vä­ter­li­che Liebe tei­let ihre Sor­gen nicht gern. – Ich denke, ich weiß es, was mei­ner Toch­ter in ihren it­zi­gen Um­stän­den ein­zig zie­met – Ent­fer­nung aus der Welt – ein Klos­ter – so­bald als mög­lich.



Der Prinz. Ein Klos­ter?



Odo­ar­do. Bis dahin weine sie unter den Augen ihres Va­ters.



Der Prinz. So viel Schön­heit soll in einem Klos­ter ver­blü­hen? – Darf eine ein­zi­ge fehl­ge­schla­ge­ne Hoff­nung uns gegen die Welt so un­ver­söhn­lich ma­chen? – Doch al­ler­dings: dem Vater hat nie­mand ein­zu­re­den. Brin­gen Sie Ihre Toch­ter, Ga­lot­ti, wohin Sie wol­len.



Odo­ar­do (gegen Ma­ri­nel­li). Nun, mein Herr?



Ma­ri­nel­li. Wenn Sie mich sogar auf­fo­dern!



Odo­ar­do. O mit­nich­ten, mit­nich­ten.



Der Prinz. Was haben Sie beide?



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Odo­ar­do. Nichts, gnä­di­ger Herr, nichts. – Wir er­wä­gen bloß, wel­cher von uns sich in Ihnen ge­ir­ret hat.



Der Prinz. Wieso? – Reden Sie, Ma­ri­nel­li.



Ma­ri­nel­li. Es geht mir nahe, der Gnade mei­nes Fürs­ten in den Weg zu tre­ten. Doch wenn die Freund­schaft ge­bie­tet, vor allem in ihm den Rich­ter auf­zu­for­dern –



Der Prinz. Wel­che Freund­schaft? –



Ma­ri­nel­li. Sie wis­sen, gnä­di­ger Herr, wie sehr ich den Gra­fen Ap­pi­a­ni lieb­te, wie sehr unser bei­der See­len in­ein­an­der ver­webt schie­nen –



Odo­ar­do. Das wis­sen Sie, Prinz? So wis­sen Sie es wahr­lich al­lein.



Ma­ri­nel­li. Von ihm selbst zu sei­nem Rä­cher be­stel­let –



Odo­ar­do. Sie?



Ma­ri­nel­li. Fra­gen Sie nur Ihre Ge­mah­lin. Ma­ri­nel­li, der Name Ma­ri­nel­li war das letz­te Wort des ster­ben­den Gra­fen, und in einem Tone! in einem Tone! – Daß er mir nie aus dem Ge­hö­re komme, die­ser schreck­li­che Ton, wenn ich nicht alles an­wen­de, daß seine Mör­der ent­deckt und be­straft wer­den!



Der Prinz. Rech­nen Sie auf meine kräf­tigs­te Mit­wir­kung.



Odo­ar­do. Und meine hei­ßes­ten Wün­sche! – Gut, gut! – Aber was wei­ter?



Der Prinz. Das frag ich, Ma­ri­nel­li.



Ma­ri­nel­li. Man hat Ver­dacht, daß es nicht Räu­ber ge­we­sen, wel­che den Gra­fen an­ge­fal­len.



Odo­ar­do (höh­nisch). Nicht? Wirk­lich nicht?



Ma­ri­nel­li. Daß ein Ne­ben­buh­ler ihn aus dem Wege räu­men las­sen.



Odo­ar­do (bit­ter). Ei! Ein Ne­ben­buh­ler?



Ma­ri­nel­li. Nicht an­ders.



Odo­ar­do. Nun dann – Gott ver­damm' ihn, den meu­chel­mör­de­ri­schen Buben!



Ma­ri­nel­li. Ein Ne­ben­buh­ler, und ein be­güns­tig­ter Ne­ben­buh­ler –



Odo­ar­do. Was? ein be­güns­tig­ter? – Was sagen Sie?



Ma­ri­nel­li. Nichts, als was das Ge­rüch­te ver­brei­tet.

Odo­ar­do. Nichts, gnä­di­ger Herr, nichts. – Wir er­wä­gen bloß, wel­cher von uns sich in Ihnen ge­ir­ret hat.



Der Prinz. Wieso? – Reden Sie, Ma­ri­nel­li.



Ma­ri­nel­li. Es geht mir nahe, der Gnade mei­nes Fürs­ten in den Weg zu tre­ten. Doch wenn die Freund­schaft ge­bie­tet, vor allem in ihm den Rich­ter auf­zu­for­dern –



Der Prinz. Wel­che Freund­schaft? –



Ma­ri­nel­li. Sie wis­sen, gnä­di­ger Herr, wie sehr ich den Gra­fen Ap­pi­a­ni lieb­te, wie sehr unser bei­der See­len in­ein­an­der ver­webt schie­nen –



Odo­ar­do. Das wis­sen Sie, Prinz? So wis­sen Sie es wahr­lich al­lein.



Ma­ri­nel­li. Von ihm selbst zu sei­nem Rä­cher be­stel­let –



Odo­ar­do. Sie?



Ma­ri­nel­li. Fra­gen Sie nur Ihre Ge­mah­lin. Ma­ri­nel­li, der Name Ma­ri­nel­li war das letz­te Wort des ster­ben­den Gra­fen, und in einem Tone! in einem Tone! – Daß er mir nie aus dem Ge­hö­re komme, die­ser schreck­li­che Ton, wenn ich nicht alles an­wen­de, daß seine Mör­der ent­deckt und be­straft wer­den!



Der Prinz. Rech­nen Sie auf meine kräf­tigs­te Mit­wir­kung.



Odo­ar­do. Und meine hei­ßes­ten Wün­sche! – Gut, gut! – Aber was wei­ter?



Der Prinz. Das frag ich, Ma­ri­nel­li.



Ma­ri­nel­li. Man hat Ver­dacht, daß es nicht Räu­ber ge­we­sen, wel­che den Gra­fen an­ge­fal­len.



Odo­ar­do (höh­nisch). Nicht? Wirk­lich nicht?



Ma­ri­nel­li. Daß ein Ne­ben­buh­ler ihn aus dem Wege räu­men las­sen.



Odo­ar­do (bit­ter). Ei! Ein Ne­ben­buh­ler?



Ma­ri­nel­li. Nicht an­ders.



Odo­ar­do. Nun dann – Gott ver­damm' ihn, den meu­chel­mör­de­ri­schen Buben!



Ma­ri­nel­li. Ein Ne­ben­buh­ler, und ein be­güns­tig­ter Ne­ben­buh­ler –



Odo­ar­do. Was? ein be­güns­tig­ter? – Was sagen Sie?



Ma­ri­nel­li. Nichts, als was das Ge­rüch­te ver­brei­tet.

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Odo­ar­do. Ein be­güns­tig­ter? von mei­ner Toch­ter be­güns­ti­get?



Ma­ri­nel­li. Das ist gewiß nicht. Das kann nicht sein. Dem wi­der­sprech ich, trotz Ihnen. – Aber bei dem allen, gnä­di­ger Herr – denn das ge­grün­dets­te Vor­ur­teil wie­get auf der Waage der Ge­rech­tig­keit so­viel als nichts – bei dem allen wird man doch nicht umhin kön­nen, die schö­ne Un­glück­li­che dar­über zu ver­neh­men.



Der Prinz. Ja­wohl, al­ler­dings.

Ma­ri­nel­li. Und wo an­ders? wo kann das an­ders ge­sche­hen als in Gu­astal­la?



Der Prinz. Da haben Sie recht, Ma­ri­nel­li, da haben Sie recht. – Ja so, das ver­än­dert die Sache, lie­ber Ga­lot­ti. Nicht wahr? Sie sehen selbst –



Odo­ar­do. O ja, ich sehe – Ich sehe, was ich sehe. – Gott! Gott!

Der Prinz. Was ist Ihnen? was haben Sie mit sich?



Odo­ar­do. Daß ich es nicht vor­aus­ge­se­hen, was ich da sehe. Das är­gert mich, wei­ter nichts. – Nun ja, sie soll wie­der nach Gu­astal­la. Ich will sie wie­der zu ihrer Mut­ter brin­gen, und bis die strengs­te Un­ter­su­chung sie frei­ge­spro­chen, will ich selbst aus Gu­astal­la nicht wei­chen. Denn wer weiß – (mit einem bit­tern La­chen) wer weiß, ob die Ge­rech­tig­keit nicht auch nötig fin­det, mich zu ver­neh­men.

Ma­ri­nel­li. Sehr mög­lich! In sol­chen Fäl­len tut die Ge­rech­tig­keit lie­ber zu­viel als zu­we­nig. – Daher fürch­te ich sogar –



Der Prinz. Was? was fürch­ten Sie?



Ma­ri­nel­li. Man werde vor der Hand nicht ver­stat­ten kön­nen, daß Mut­ter und Toch­ter sich spre­chen.



Odo­ar­do. Sich nicht spre­chen?

Ma­ri­nel­li. Man werde ge­nö­ti­get sein, Mut­ter und Toch­ter zu tren­nen.





Odo­ar­do. Mut­ter und Toch­ter zu tren­nen?



Ma­ri­nel­li. Mut­ter und Toch­ter und Vater. Die Form des Ver­hörs er­fo­dert diese Vor­sich­tig­keit schlech­ter­dings. Und es tut mir leid, gnä­di­ger Herr, daß ich mich ge­zwun­gen sehe, aus­drück­lich dar­auf an­zu­tra­gen, we­nigs­tens Emi­li­en in eine be­son­de­re Ver­wah­rung zu brin­gen.



Odo­ar­do. Be­son­de­re Ver­wah­rung? – Prinz! Prinz! – Doch ja, frei­lich, frei­lich! Ganz recht: in eine be­son­de­re Ver­wah­rung! Nicht, Prinz? nicht? – O wie fein die Ge­rech­tig­keit ist! Vor­treff­lich! (Fährt schnell nach dem Schub­sa­cke, in wel­chem er den Dolch hat.)



Der Prinz (schmei­chel­haft auf ihn zu­tre­tend). Fas­sen Sie sich, lie­ber Ga­lot­ti –

Odo­ar­do. Ein be­güns­tig­ter? von mei­ner Toch­ter be­güns­ti­get?



Ma­ri­nel­li. Das ist gewiß nicht. Das kann nicht sein. Dem wi­der­sprech ich, trotz Ihnen. – Aber bei dem allen, gnä­di­ger Herr – denn das ge­grün­dets­te Vor­ur­teil wie­get auf der Waage der Ge­rech­tig­keit so­viel als nichts – bei dem allen wird man doch nicht umhin kön­nen, die schö­ne Un­glück­li­che dar­über zu ver­neh­men.



Der Prinz. Ja­wohl, al­ler­dings.

Ma­ri­nel­li. Und wo an­ders? wo kann das an­ders ge­sche­hen als in Gu­astal­la?



Der Prinz. Da haben Sie recht, Ma­ri­nel­li, da haben Sie recht. – Ja so, das ver­än­dert die Sache, lie­ber Ga­lot­ti. Nicht wahr? Sie sehen selbst –



Odo­ar­do. O ja, ich sehe – Ich sehe, was ich sehe. – Gott! Gott!

Der Prinz. Was ist Ihnen? was haben Sie mit sich?



Odo­ar­do. Daß ich es nicht vor­aus­ge­se­hen, was ich da sehe. Das är­gert mich, wei­ter nichts. – Nun ja, sie soll wie­der nach Gu­astal­la. Ich will sie wie­der zu ihrer Mut­ter brin­gen, und bis die strengs­te Un­ter­su­chung sie frei­ge­spro­chen, will ich selbst aus Gu­astal­la nicht wei­chen. Denn wer weiß – (mit einem bit­tern La­chen) wer weiß, ob die Ge­rech­tig­keit nicht auch nötig fin­det, mich zu ver­neh­men.

Ma­ri­nel­li. Sehr mög­lich! In sol­chen Fäl­len tut die Ge­rech­tig­keit lie­ber zu­viel als zu­we­nig. – Daher fürch­te ich sogar –



Der Prinz. Was? was fürch­ten Sie?



Ma­ri­nel­li. Man werde vor der Hand nicht ver­stat­ten kön­nen, daß Mut­ter und Toch­ter sich spre­chen.



Odo­ar­do. Sich nicht spre­chen?

Ma­ri­nel­li. Man werde ge­nö­ti­get sein, Mut­ter und Toch­ter zu tren­nen.





Odo­ar­do. Mut­ter und Toch­ter zu tren­nen?



Ma­ri­nel­li. Mut­ter und Toch­ter und Vater. Die Form des Ver­hörs er­fo­dert diese Vor­sich­tig­keit schlech­ter­dings. Und es tut mir leid, gnä­di­ger Herr, daß ich mich ge­zwun­gen sehe, aus­drück­lich dar­auf an­zu­tra­gen, we­nigs­tens Emi­li­en in eine be­son­de­re Ver­wah­rung zu brin­gen.



Odo­ar­do. Be­son­de­re Ver­wah­rung? – Prinz! Prinz! – Doch ja, frei­lich, frei­lich! Ganz recht: in eine be­son­de­re Ver­wah­rung! Nicht, Prinz? nicht? – O wie fein die Ge­rech­tig­keit ist! Vor­treff­lich! (Fährt schnell nach dem Schub­sa­cke, in wel­chem er den Dolch hat.)



Der Prinz (schmei­chel­haft auf ihn zu­tre­tend). Fas­sen Sie sich, lie­ber Ga­lot­ti –

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Odo­ar­do (bei­sei­te, indem er die Hand leer wie­der her­aus­zieht). Das sprach sein Engel!



Der Prinz. Sie sind irrig, Sie ver­ste­hen ihn nicht. Sie den­ken bei dem Worte Ver­wah­rung wohl gar an Ge­fäng­nis und Ker­ker.



Odo­ar­do. Las­sen Sie mich daran den­ken: und ich bin ruhig!



Der Prinz. Kein Wort von Ge­fäng­nis, Ma­ri­nel­li! Hier ist die Stren­ge der Ge­set­ze mit der Ach­tung gegen un­be­schol­te­ne Tu­gend leicht zu ver­ei­ni­gen. Wenn Emi­lia in be­son­de­re Ver­wah­rung ge­bracht wer­den muß, so weiß ich schon – die al­ler­an­stän­digs­te. Das Haus mei­nes Kanz­lers – Kei­nen Wi­der­spruch, Ma­ri­nel­li! – Da will ich sie selbst hin­brin­gen, da will ich sie der Auf­sicht einer der wür­digs­ten Damen über­ge­ben. Die soll mir für sie bür­gen, haf­ten. – Sie gehen zu weit, Ma­ri­nel­li, wirk­lich zu weit, wenn Sie mehr ver­lan­gen. – Sie ken­nen doch, Ga­lot­ti, mei­nen Kanz­ler Gri­mal­di und seine Ge­mah­lin?



Odo­ar­do. Was sollt' ich nicht? Sogar die lie­bens­wür­di­gen Töch­ter die­ses edeln Paa­res kenn ich. Wer kennt sie nicht? –

(Zu Ma­ri­nel­li.) Nein, mein Herr, geben Sie das nicht zu. Wenn Emi­lia ver­wahrt wer­den muß, so müsse sie in dem tiefs­ten Ker­ker ver­wah­ret wer­den. Drin­gen Sie dar­auf, ich bitte Sie. – Ich Tor, mit mei­ner Bitte! ich alter Geck! – Ja­wohl hat sie recht die gute Si­byl­le: »Wer über ge­wis­se Dinge sei­nen Ver­stand nicht ver­lie­ret, der hat kei­nen zu ver­lie­ren!«



Der Prinz. Ich ver­ste­he Sie nicht. – Lie­ber Ga­lot­ti, was kann ich mehr tun? – Las­sen Sie es dabei, ich bitte Sie. – Ja, ja, in das Haus mei­nes Kanz­lers! da soll sie hin; da bring ich sie selbst hin; und wenn ihr da nicht mit der äu­ßers­ten Ach­tung be­geg­net wird, so hat mein Wort nichts ge­gol­ten. Aber sor­gen Sie nicht. – Dabei bleibt es! dabei bleibt es! – Sie selbst, Ga­lot­ti, mit sich, kön­nen es hal­ten, wie Sie wol­len. – Sie kön­nen uns nach Gu­astal­la fol­gen, Sie kön­nen nach Sa­bio­net­ta zu­rück­keh­ren: wie Sie wol­len. Es wäre lä­cher­lich, Ihnen vor­zu­schrei­ben. – Und nun, auf Wie­der­se­hen, lie­ber Ga­lot­ti! – Kom­men Sie, Ma­ri­nel­li, es wird spät.



Odo­ar­do (der in tie­fen Ge­dan­ken ge­stan­den). Wie? so soll ich sie gar nicht spre­chen, meine Toch­ter? Auch hier nicht? – Ich lasse mir ja alles ge­fal­len, ich finde ja alles ganz vor­treff­lich. Das Haus eines Kanz­lers ist na­tür­li­cher­wei­se eine Frei­statt der Tu­gend. Oh, gnä­di­ger Herr, brin­gen Sie ja meine Toch­ter dahin, nir­gends an­ders als dahin. – Aber spre­chen wollt' ich sie doch gerne vor­her. Der Tod des Gra­fen ist ihr noch un­be­kannt. Sie wird nicht be­grei­fen kön­nen, warum man sie von ihren El­tern tren­net. Ihr jenen auf gute Art bei­zu­brin­gen, sie die­ser Tren­nung wegen zu be­ru­hi­gen – muß ich sie spre­chen, gnä­di­ger Herr, muß ich sie spre­chen.



Der Prinz. So kom­men Sie denn –



Odo­ar­do. Oh, die Toch­ter kann auch wohl zu dem Vater kom­men. – Hier, unter vier Augen, bin ich gleich mit ihr fer­tig. Sen­den Sie mir sie nur, gnä­di­ger Herr.



Der Prinz. Auch das! – O Ga­lot­ti, wenn Sie mein Freund, mein Füh­rer, mein Vater sein woll­ten! (Der Prinz und Ma­ri­nel­li geben ab.)

Odo­ar­do (bei­sei­te, indem er die Hand leer wie­der her­aus­zieht). Das sprach sein Engel!



Der Prinz. Sie sind irrig, Sie ver­ste­hen ihn nicht. Sie den­ken bei dem Worte Ver­wah­rung wohl gar an Ge­fäng­nis und Ker­ker.



Odo­ar­do. Las­sen Sie mich daran den­ken: und ich bin ruhig!



Der Prinz. Kein Wort von Ge­fäng­nis, Ma­ri­nel­li! Hier ist die Stren­ge der Ge­set­ze mit der Ach­tung gegen un­be­schol­te­ne Tu­gend leicht zu ver­ei­ni­gen. Wenn Emi­lia in be­son­de­re Ver­wah­rung ge­bracht wer­den muß, so weiß ich schon – die al­ler­an­stän­digs­te. Das Haus mei­nes Kanz­lers – Kei­nen Wi­der­spruch, Ma­ri­nel­li! – Da will ich sie selbst hin­brin­gen, da will ich sie der Auf­sicht einer der wür­digs­ten Damen über­ge­ben. Die soll mir für sie bür­gen, haf­ten. – Sie gehen zu weit, Ma­ri­nel­li, wirk­lich zu weit, wenn Sie mehr ver­lan­gen. – Sie ken­nen doch, Ga­lot­ti, mei­nen Kanz­ler Gri­mal­di und seine Ge­mah­lin?



Odo­ar­do. Was sollt' ich nicht? Sogar die lie­bens­wür­di­gen Töch­ter die­ses edeln Paa­res kenn ich. Wer kennt sie nicht? –

(Zu Ma­ri­nel­li.) Nein, mein Herr, geben Sie das nicht zu. Wenn Emi­lia ver­wahrt wer­den muß, so müsse sie in dem tiefs­ten Ker­ker ver­wah­ret wer­den. Drin­gen Sie dar­auf, ich bitte Sie. – Ich Tor, mit mei­ner Bitte! ich alter Geck! – Ja­wohl hat sie recht die gute Si­byl­le: »Wer über ge­wis­se Dinge sei­nen Ver­stand nicht ver­lie­ret, der hat kei­nen zu ver­lie­ren!«



Der Prinz. Ich ver­ste­he Sie nicht. – Lie­ber Ga­lot­ti, was kann ich mehr tun? – Las­sen Sie es dabei, ich bitte Sie. – Ja, ja, in das Haus mei­nes Kanz­lers! da soll sie hin; da bring ich sie selbst hin; und wenn ihr da nicht mit der äu­ßers­ten Ach­tung be­geg­net wird, so hat mein Wort nichts ge­gol­ten. Aber sor­gen Sie nicht. – Dabei bleibt es! dabei bleibt es! – Sie selbst, Ga­lot­ti, mit sich, kön­nen es hal­ten, wie Sie wol­len. – Sie kön­nen uns nach Gu­astal­la fol­gen, Sie kön­nen nach Sa­bio­net­ta zu­rück­keh­ren: wie Sie wol­len. Es wäre lä­cher­lich, Ihnen vor­zu­schrei­ben. – Und nun, auf Wie­der­se­hen, lie­ber Ga­lot­ti! – Kom­men Sie, Ma­ri­nel­li, es wird spät.



Odo­ar­do (der in tie­fen Ge­dan­ken ge­stan­den). Wie? so soll ich sie gar nicht spre­chen, meine Toch­ter? Auch hier nicht? – Ich lasse mir ja alles ge­fal­len, ich finde ja alles ganz vor­treff­lich. Das Haus eines Kanz­lers ist na­tür­li­cher­wei­se eine Frei­statt der Tu­gend. Oh, gnä­di­ger Herr, brin­gen Sie ja meine Toch­ter dahin, nir­gends an­ders als dahin. – Aber spre­chen wollt' ich sie doch gerne vor­her. Der Tod des Gra­fen ist ihr noch un­be­kannt. Sie wird nicht be­grei­fen kön­nen, warum man sie von ihren El­tern tren­net. Ihr jenen auf gute Art bei­zu­brin­gen, sie die­ser Tren­nung wegen zu be­ru­hi­gen – muß ich sie spre­chen, gnä­di­ger Herr, muß ich sie spre­chen.



Der Prinz. So kom­men Sie denn –



Odo­ar­do. Oh, die Toch­ter kann auch wohl zu dem Vater kom­men. – Hier, unter vier Augen, bin ich gleich mit ihr fer­tig. Sen­den Sie mir sie nur, gnä­di­ger Herr.



Der Prinz. Auch das! – O Ga­lot­ti, wenn Sie mein Freund, mein Füh­rer, mein Vater sein woll­ten! (Der Prinz und Ma­ri­nel­li geben ab.)

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