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Formen der Gewalt
Keine Form der Gewalt steht für sich allein; es gibt Mischformen, die ineinander übergehen (vgl. Schorcht 2017, S. 12). Ein Überblick über die einzelnen Gewaltformen.
Die direkte Gewalt, auch personale Gewalt genannt, lässt sich in körperliche Gewalt, psychische Gewalt, Einschränkung des freien Willens, Vernachlässigung, freiheitsentziehende Maßnahmen und in finanzielle Ausbeutung differenzieren. Alle Formen der direkten Gewalt meinen ein zielgerichtetes Handeln oder Nicht-Handeln. Es besteht ein eindeutiges Verhältnis zwischen demden Opfern und demden Tätern (vgl. ebd.).
Mit körperlicher Gewalt ist eine Handlung gemeint, die einem zu Pflegenden absichtlich Schaden zufügt. Beispiele werden im folgenden Abschnitt der Übersichtlichkeit halber in Spiegelstrichform aufgeführt:
- BewohnerPatient durch grobes Anfassen Hämatome hinzufügen (z. B. bei der Mobilisation oder bei der Lagerung)
- BewohnerPatient falsch über seine Medikamente informieren (damit er diese einnimmt)
- BewohnerPatient um 17.30 Uhr aus arbeitsökonomischen Gründen ins Bett bringen, obwohl er noch aufbleiben möchte
- BewohnerPatient aus arbeitsökonomischen Gründen eine Schutzhose anziehen (damit der BewohnerPatient nicht zur Toilette gebracht werden muss)
- BewohnerPatient zur Körperpflege, Vollbad, Dusche oder Haarwäsche zwingen
- Bewohner/Patienten im Intimbereich waschen, obwohl er dies selbst tun kann
Psychische Gewalt wird auf emotionaler Ebene ausgeführt und bezeichnet eine meist verbale oder nonverbale Handlung, durch die die Seele des Opfers verletzt wird (vgl. ebd. S. 14). Beispiele hierfür sind:
- BewohnerPatient verbal angreifen
- BewohnerPatient bevormunden oder verniedlichenverkindlichen, indem er un-aufgefordert geduzt oder respektlos mit „OmaOpa“ angeredet wird
- Demenziell veränderte BewohnerPatienten nicht mehr ansprechen, da davon ausgegangen wird, dass sie nichts mehr mitbekommen
- Gesprächsbemühungen von BewohnernPatienten über Sinn und Sterben ab-blocken oder negativ bewerten
- Blickkontakt mit Bewohnern/Patienten vermeiden
Eine Einschränkung des freien Willens liegt dann vor, wenn über die betroffene Person hinweg entschieden wird. Dabei gilt es zu beachten, dass die Berücksichtigung des eigenen freien Willens durch die im Pflegeheim oder Krankenhaus geltenden Vorschriften sowie strukturellen Vorgaben oftmals nicht gegeben ist. Beispielsweise wird über Patientenverfügungen, die nicht ausreichend konkret angefertigt worden sind, hin weggesehen und somit dem Willen des Bewohners/Patienten nicht entsprochen (vgl. ebd. S. 16).
Vernachlässigung bedeutet das Unterlassen von Handlungen. Hierbei wird zwischen einer aktiven und einer passiven Form unterschieden. Bei der aktiven Vernachlässigung werden notwendige Handlungen willentlich durch die verantwortliche Person verweigert (vgl. ebd.). Beispiele hierfür sind:
- Bewohner/Patient nicht rechtzeitig umlagern (trotz Dekubitusgefahr)
- Bewohner/Patient absichtlich auf der Toilette warten lassen
- Später zur Klingel gehen, weil der Bewohner/Patient sich oft gemeldet hat
- Bewohner/Patient nicht ausreichend Nahrung bzw. Flüssigkeit zuführen
- Religiöse Bedürfnisse des Bewohners/Patienten missachten
Die passive Form der Vernachlässigung ist das Unterlassen einer Handlung aufgrund einer Fehleinschätzung der Bedarfssituation. Beispiele sind unter anderem:
- Bewohner/Patient nicht rechtzeitig umlagern, da keine Dekubitusgefahr eingeschätzt wird
- Bewohner/Patient nicht ausreichend Nahrung bzw. Flüssigkeit zuführen, da der Bedarf nicht korrekt eingeschätzt worden ist
Die freiheitsentziehenden Maßnahmen stellen eine besondere Form der Gewalt dar. Sie tangieren alle bisher aufgeführten Gewaltformen: die körperliche Gewalt, die psychische Gewalt, die Einschränkung des freien Willens und die Vernachlässigung. Freiheitsentziehung findet statt, wenn eine Person in ihrer Bewegungsfreiheit in jeglicher Form eingeschränkt wird. Beispielsweise:
- Bewohner/Patient aus arbeitsökonomischen Gründen fixieren (z. B. Fixierung im Pflegestuhl, da Pflegepersonal unterbesetzt ist)
- Bewohner/Patient aus arbeitsökonomischen Gründen Bedarfspsychopharmaka verabreichen (zur Ruhigstellung)
- Freiheitsentziehung durch Anwendung eines sogenannten Strampelsacks
- Einschränkung des Bewegungsspielraums (z. B. Rollstuhl zu eng an den Tisch schieben)
- Gehhilfen oder Rollstuhl verweigern
Finanzielle Ausbeutung bedeutet eine absichtliche Schädigung oder das Vorenthalten finanzieller Mittel (vgl. ebd. S.17). Folgende Praxisbeispiele lassen sich hierzu benen-nen:
- Geld des Bewohners/Patienten verwalten (obwohl dieser mündig ist)
- Zusätzliches Geld vom Bewohner/Patienten für eine gute Pflege verlangen
- Geld oder Wertgegenstände des Bewohners/Patienten entwenden
Die strukturelle Gewalt ist zunächst nicht offensichtlich; sie geht nicht von einer Person oder Personengruppe, sondern vom Gesellschaftssystem aus. Durch Verordnungen und Gesetze des Gesellschaftssystems wird die Arbeit im Pflegeheim oder Krankenhaus teilweise erschwert. Es kann sowohl strukturelle Gewalt gegenüber dem Bewohner/Patienten als auch gegenüber dem Pflegepersonal stattfinden. Beispiele:
Unzureichende personelle Besetzung
Mangelhafte staatliche Kontrolle von den Institutionen
Zusammenleben mit einer fremden Person in einem Zimmer
Sich nicht an der individuellen Biografie orientieren, sondern starre Tagesstrukturen, die von der Institution vorgegeben werden, durchsetzen
Hausordnung rücksichtslos durchsetzen
Auf feste Besuchszeiten der Intuition bestehen (vgl. Seidel 2007, S. 20)
„Als kulturelle Gewalt wird jede Eigenschaft einer Kultur bezeichnet, mit deren Hilfe direkte oder strukturelle Gewalt legitimiert werden kann. Kulturelle Gewalt ist der gesellschaftliche Hintergrund auf, der die Rechtfertigung von Gewalthandlungen möglich wird (ZIF 2018)“. Als Beispiele sind hier Behindertenfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus, Homophobie oder im Rahmen dieses Themas grundsätzliche Gewalt gegen alte Menschen zu nennen.
Dem Altern wird in Deutschland im Allgemeinen ein negatives Rollenbild zugeschrieben. Heutzutage ist das Leben mit „Schlagworten wie Leistung, Produktivität, Jugendlichkeit und Fortschritt bestimmt“ (Seidel 2007, S. 21). Die alten Menschen können dem nicht mehr gerecht werden und haben ihren Beitrag für die Gesellschaft schon geleistet. In der Presse werden häufig diskriminierende Begriffe wie „Alterslawine, Überalterung, Heiminsasse oder Rentnerschwemme“ benutzt (ebd., S. 20). Das Bild des alten Menschen ist von Krankheit, Hilfsbedürftigkeit, dem Abbau von Fertig- und Fähigkeiten sowie Armut geprägt.
Wissen to goKarte. (Beispiele sind in den Thieme Büchern)
Direkte Gewalt
Strukturelle Gewalt
Kulturelle Gewalt