• Minnesang
  • anonym
  • 10.03.2025
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Er­schlie­ßen Sie aus dem Text zen­tra­le Aspek­te des mit­tel­al­ter­li­chen Min­ne­sangs.
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Über­prü­fe, in­wie­fern under der lin­den von Walt­her von der Vo­gel­wei­de ein ty­pi­scher Ver­tre­ter des Min­ne­sangs ist.

Min­ne­sang

Als Min­ne­sang be­zeich­net man die deutsch­spra­chi­ge hö­fi­sche Lie­bes­lied­dich­tung von etwa 1150 bis 1350. Der mit­tel­hoch­deut­sche Be­griff 'minne' ist zwar grund­sätz­lich sehr weit zu fas­sen und reicht vom 'freund­li­chen Ge­den­ken' über 'Zu­nei­gung, Freund­schaft, Ver­eh­rung' bis hin zur 'Got­tes­lie­be' und schließt auch 'Ver­lan­gen' und 'Sehn­sucht' mit ein; im Zu­sam­men­hang mit der li­te­ra­ri­schen Form ist Min­ne­sang je­doch durch­aus mit Lie­bes­ly­rik gleich­zu­set­zen.

Diese im deut­schen Sprach­raum neue Kunst­form war ad­li­ge Stan­des­dich­tung und Ge­sell­schafts­kunst, das heißt, dass Min­ne­sang eng an die Ide­a­le der rit­ter­li­chen Stan­des­kul­tur und des hö­fi­schen Le­bens ge­bun­den war und ge­ra­de­zu als ri­tu­a­li­sier­te Voll­zugs­form höfisch-​ritterlichen Le­bens gel­ten kann. Eben­so wie die hö­fi­sche Epik war Min­ne­sang einem eli­tä­ren ad­li­gen Pu­bli­kum vor­be­hal­ten und re­prä­sen­tier­te (mit der Aus­nah­me Neid­harts [Schaf­fens­zeit etwa 1210-1240]) fast aus­schließ­lich ad­li­ge Le­bens­ent­wür­fe.

Dar­stel­lung einer ty­pi­schen Si­tu­a­ti­on der Minne in der gro­ßen Lie­der­hand­schrift Codex Ma­nes­se

Als Vor­trags- und Form­kunst war Min­ne­sang ein Me­di­um, mit dem sich die Adels­welt über Mo­del­le zwi­schen­ge­schlecht­li­cher Liebe zu ver­stän­di­gen ver­such­te. Ent­schei­dend für das Ver­ständ­nis die­ser li­te­ra­ri­schen Kunst­form ist der Rol­len­cha­rak­ter des Min­ne­sangs: Ein re­prä­sen­ta­ti­ves ly­ri­sches Ich for­mu­liert vor der Hof­ge­sell­schaft all­ge­mein­gül­ti­ge Er­fah­run­gen zum Thema Liebe. The­ma­tisch un­ter­schei­det sich Min­ne­sang damit von der Sang­spruch­dich­tung, die vor­wie­gend ethi­sche, re­li­gi­ö­se und po­li­ti­sche The­men ge­stal­te­te.





An­fän­ge des Min­ne­sangs

In sei­nen An­fän­gen war der Min­ne­sang kei­nes­falls nur Aus­druck der ins Un­er­reich­ba­re ge­rück­ten Liebe – es gibt ei­ni­ge Lie­bes­lie­der, die von den Freu­den der Liebe von Mann und Frau er­zäh­len. Ein Bei­spiel aus Kon­zep­te der Liebe im Mit­tel­al­ter:

Komm, komm, mein Liebs­ter, ich warte sehr auf dich!
Ich warte sehr auf dich, komm, komm, mein Liebs­ter.
Süßer ro­sen­far­be­ner Mund, komm und mache mich ge­sund!
Komm und mache mich ge­sund, süßer, ro­sen­far­be­ner Mund.

Die Lie­der wur­den immer vom Mann vor­ge­tra­gen, be­stan­den aber ab­wech­selnd aus Frau­en- und Män­ner­stro­phen. Sie spre­chen von der Sehn­sucht der Lie­ben­den, so­wohl des Man­nes als auch der Frau.

Ganz of­fen­sicht­lich waren eben nicht nur die Män­ner, son­dern auch die Frau­en reich an Er­fah­run­gen au­ßer­halb der Ehe. Und in den Lie­dern sehn­ten sie sich kei­nes­falls nach dem stan­des­ge­mäß an­ge­hei­ra­te­ten Ehe­gat­ten, son­dern nach ihrem Lieb­ha­ber.

Al­ler­dings trug al­lein die Frau das Ri­si­ko – rat­sa­mer war es für sie, ihre freie Liebe im Ver­bor­ge­nen zu su­chen, wäh­rend die Män­ner für ihre Amou­ren durch­aus ge­schätzt wur­den. Min­ne­lie­der, die deut­lich von Er­obe­run­gen zeu­gen, schei­nen auch eher bei rei­nen Her­ren­run­den aus­ge­tauscht wor­den zu sein und nicht un­be­dingt unter dem Bal­kon der Liebs­ten.



Die hohe Minne

Ende des 12. Jahr­hun­derts ent­wi­ckel­te sich bei Hofe die hohe Minne. Aus der Liebe ent­wi­ckel­te sich Sehn­sucht und die Lie­bes­ly­rik wurde zur Schu­le des Man­nes in Din­gen der Liebe und des An­stands.

Nicht mehr die Viel­zahl der Er­obe­run­gen wurde ge­schätzt. Nicht ein­mal eine ein­zi­ge Er­obe­rung, son­dern al­lei­ne der Dienst an der Minne, die Hin­ga­be an die reine Frau, die man durch eine Er­obe­rung nicht er­nied­ri­gen durf­te, er­höh­te den Lie­ben­den.

Auf­ga­be der immer ade­li­gen Frau war es, den Lie­ben­den zu­rück­zu­wei­sen, so dass er die Kunst der Liebe mehr und mehr be­herrsch­te, rei­ner und bes­ser im Stre­ben wurde, seine Treue und Be­stän­dig­keit be­wahr­te – aller Zu­rück­wei­sung zum Trotz.

Tu­gen­den wie Ehr­bar­keit, Ver­schwie­gen­heit und Treue soll­ten aber nicht nur in der Lie­bes­be­zie­hung be­stehen, son­dern den gan­zen Men­schen prä­gen.

Ab­bil­dung Walt­hers von der Vo­gel­wei­de im Codex Ma­nes­se, dar­ge­stellt mit Schwert als Zei­chen des Rit­ter­stan­des.

Die nie­de­re Minne

Dass das nicht ewig gut gehen konn­te, ist klar: Schon bald san­gen die ers­ten von den Qua­li­tä­ten nicht-​adeliger Fräu­lein, mit denen sich auch eine wun­der­ba­re heim­li­che Lie­bes­nacht ver­brin­gen ließ.

Wäh­rend die Ge­schich­ten der hohen Minne also eher vom hoff­nungs­lo­sen Wer­ben eines Man­nes um eine un­er­reich­ba­re ade­li­ge Dame er­zäh­len, so ge­hört zur nie­de­ren Minne doch min­des­tens eine Lie­bes­nacht, an die sich der Mann er­in­nern kann.

Die Frau, der diese Ge­dan­ken gal­ten, ge­hör­te einem nie­de­ren Stan­de an (Stän­de­ge­sell­schaft des Mit­tel­al­ters mit Adel, Kle­rus und bäu­er­li­cher und städ­ti­scher Ge­sell­schaft) und hatte nur in den An­fän­gen der neuen dich­te­ri­schen Leh­ren noch eine Chan­ce, ge­hei­ra­tet zu wer­den – wie etwa in den Tex­ten von Walt­her von der Vo­gel­wei­de. Die­ser prägt das Genre der Mäd­chen­lie­der, bei denen die Frau keine frou­we, also keine Edel­da­me ist. Auch das Ta­ge­lied, bei dem der Ab­schied zwei­er Lie­ben­der, häu­fig aus ver­schie­de­nem so­zi­a­len Stand, bei Ta­ges­an­bruch er­zählt wird, ge­winnt im 13. Jahr­hun­dert an Po­pu­la­ri­tät.

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