• Nachkriegszeit in Deutschland
  • anonym
  • 20.11.2024
  • Geschichte
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Ent­na­zi­fi­zie­rung

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Lies dir den Zeit­zeu­gen­be­richt von Irene M.
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Im Jahr 2001 no­tiert die Zeit­zeu­gin Irene M. ihre Er­in­ne­run­gen:



Im Juli 1945 hat­ten wir alle un­se­re Fra­ge­bö­gen er­hal­ten, vier Sei­ten lang. Jetzt wol­len sie mit uns ab­rech­nen, Sie­ger über Be­sieg­te. Der Weg zur bri­ti­schen Kom­man­dan­tur ein schwe­rer Gang, be­son­ders für die Män­ner. Wer konn­te es sich leis­ten, kein Par­tei­ge­nos­se zu sein? Da gab es nur Aus­nah­men, und die waren be­nach­tei­ligt. Also auf in die Stadt zur Kom­man­dan­tur, eine der schöns­ten Vil­len.



Vol­ler Be­klem­mung dem Hin­weis­schild fol­gend, weil alles so fremd­ar­tig auf mich wirkt, be­tre­te ich das wider Er­war­ten leere Amts­zim­mer und weil es mir so zur Ge­wohn­heit ge­wor­den war, wie an­ders als mit dem deut­schen Gruß. Doch kaum war mir das Heil Hit­ler von der Zunge ge­rutscht, als ich beim An­blick der eng­li­schen Union Jack zu­sam­men­schrak. Das kann doch nicht mehr zeit­ge­mäß sein, und was nun? Hat er das ge­hört, der bri­ti­sche Of­fi­zier dort hin­ten in der Ecke über sei­nen Schreib­tisch ge­beugt? Er blick­te erst auf, als ich vor ihm stand und noch bevor ich meine zu­recht­ge­leg­ten eng­li­schen Bro­cken an­wen­den konn­te, be­fahl er mir, den Fra­ge­bo­gen auf den hohen Sta­pel zu legen und for­der­te mich schroff auf, zu gehen. Und ob ich ging. Ich eilte hin­aus.



Auf dem wei­ten Heim­weg über Land­stra­ße und Wie­schen hatte ich ge­nü­gend Zeit, über mei­nen Pat­zer nach­zu­den­ken. Aber was ist denn jetzt der amt­li­che deut­sche Gruß? Guten Tag, auf Wie­der­se­hen? Das klingt doch al­bern Frem­den ge­gen­über, so lasch und ver­trau­lich, so be­grüßt man höchs­tens Ver­wand­te, Be­kann­te, Freun­de. Hier im Um­gang mit der Dorf­be­woh­ner heißt es Moin und Tschüss. Und wäh­rend ich mich für die Ab­kür­zung über die sump­fi­gen Wie­sen ent­schei­de, immer noch vol­ler Selbst­vor­wür­fe über mei­nen Pat­zer mit dem deut­schen Gruß, über­le­ge ich, wie es da­mals alles an­fing.

Eines Tages in der Schu­le, es mag 1935 ge­we­sen sein, war es un­se­re Rek­to­rin per­sön­lich, die uns den neuen Gruß ein­führ­te. Sie stell­te sich mit aus­ge­streck­tem Arm vor uns hin und rief Heil Hit­ler! Und wir ste­hen neben un­se­rer Schul­bank und sol­len den rech­ten Arm er­he­ben und den Gruß wie­der­ho­len. Das war ein Durch­ein­an­der von Hitler-​Gekreische, Her­um­al­bern und Ge­läch­ter. Aber nicht lange. Er­mah­nun­gen zur Dis­zi­plin, aus­rich­ten und Hal­tung an­neh­men und das ganze so­lan­ge, bis ein ein­heit­li­cher Hitler-​Gruß er­tön­te, ge­folgt von dem er­lö­sen Be­fehl Set­zen!

M., Irene: Ent­na­zi­fi­zie­rung - Deut­scher Gruß, in: LeMO-​Zeitzeugen, Le­ben­di­ges Mu­se­um On­line, Stif­tung Haus der Ge­schich­te der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/irene-m-entnazifizierung-deutscher-gruss.html
Zu­letzt be­sucht am: 11.11.2024



Im Juli 1945 hat­ten wir alle un­se­re Fra­ge­bö­gen er­hal­ten, vier Sei­ten lang. Jetzt wol­len sie mit uns ab­rech­nen, Sie­ger über Be­sieg­te. Der Weg zur bri­ti­schen Kom­man­dan­tur ein schwe­rer Gang, be­son­ders für die Män­ner. Wer konn­te es sich leis­ten, kein Par­tei­ge­nos­se zu sein? Da gab es nur Aus­nah­men, und die waren be­nach­tei­ligt. Also auf in die Stadt zur Kom­man­dan­tur, eine der schöns­ten Vil­len.



Vol­ler Be­klem­mung dem Hin­weis­schild fol­gend, weil alles so fremd­ar­tig auf mich wirkt, be­tre­te ich das wider Er­war­ten leere Amts­zim­mer und weil es mir so zur Ge­wohn­heit ge­wor­den war, wie an­ders als mit dem deut­schen Gruß. Doch kaum war mir das Heil Hit­ler von der Zunge ge­rutscht, als ich beim An­blick der eng­li­schen Union Jack zu­sam­men­schrak. Das kann doch nicht mehr zeit­ge­mäß sein, und was nun? Hat er das ge­hört, der bri­ti­sche Of­fi­zier dort hin­ten in der Ecke über sei­nen Schreib­tisch ge­beugt? Er blick­te erst auf, als ich vor ihm stand und noch bevor ich meine zu­recht­ge­leg­ten eng­li­schen Bro­cken an­wen­den konn­te, be­fahl er mir, den Fra­ge­bo­gen auf den hohen Sta­pel zu legen und for­der­te mich schroff auf, zu gehen. Und ob ich ging. Ich eilte hin­aus.



Auf dem wei­ten Heim­weg über Land­stra­ße und Wie­schen hatte ich ge­nü­gend Zeit, über mei­nen Pat­zer nach­zu­den­ken. Aber was ist denn jetzt der amt­li­che deut­sche Gruß? Guten Tag, auf Wie­der­se­hen? Das klingt doch al­bern Frem­den ge­gen­über, so lasch und ver­trau­lich, so be­grüßt man höchs­tens Ver­wand­te, Be­kann­te, Freun­de. Hier im Um­gang mit der Dorf­be­woh­ner heißt es Moin und Tschüss. Und wäh­rend ich mich für die Ab­kür­zung über die sump­fi­gen Wie­sen ent­schei­de, immer noch vol­ler Selbst­vor­wür­fe über mei­nen Pat­zer mit dem deut­schen Gruß, über­le­ge ich, wie es da­mals alles an­fing.

Eines Tages in der Schu­le, es mag 1935 ge­we­sen sein, war es un­se­re Rek­to­rin per­sön­lich, die uns den neuen Gruß ein­führ­te. Sie stell­te sich mit aus­ge­streck­tem Arm vor uns hin und rief Heil Hit­ler! Und wir ste­hen neben un­se­rer Schul­bank und sol­len den rech­ten Arm er­he­ben und den Gruß wie­der­ho­len. Das war ein Durch­ein­an­der von Hitler-​Gekreische, Her­um­al­bern und Ge­läch­ter. Aber nicht lange. Er­mah­nun­gen zur Dis­zi­plin, aus­rich­ten und Hal­tung an­neh­men und das ganze so­lan­ge, bis ein ein­heit­li­cher Hitler-​Gruß er­tön­te, ge­folgt von dem er­lö­sen Be­fehl Set­zen!

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