• Test - Kurzgeschichte
  • fneumann
  • 25.09.2023
  • Deutsch
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Test - Kurz­ge­schich­te I

Thema: Merk­ma­le von Kurz­ge­schich­ten nach­wei­sen

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De­fi­nie­re den Be­griff Kurz­ge­schich­te. Be­zie­he dabei die ty­pi­schen Merk­ma­le die­ser Text­sor­te ein.
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Lies die fol­gen­de Kurz­ge­schich­te.
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  • Weise nach, dass es sich bei die­ser Er­zäh­lung um eine Kurz­ge­schich­te han­delt.
    Be­le­ge die ge­fun­de­nen Merk­ma­le mit Bei­spie­len aus dem Text.
  • Schrei­be eine In­halts­an­ga­be für diese Er­zäh­lung.

Das Brot

Wolf­gang Bor­chert, 1949

Plötz­lich wach­te sie auf. Es war halb drei. Sie über­leg­te, warum sie auf­ge­wacht war. Ach so! In der Küche hatte je­mand gegen einen Stuhl ge­sto­ßen. Sie horch­te nach der Küche. Es war still. Es war zu still und als sie mit der Hand über das Bett neben sich fuhr, fand sie es leer. Das war es, was es so be­son­ders still ge­macht hatte: sein Atem fehl­te. Sie stand auf und tapp­te durch die dunk­le Woh­nung zur Küche. In der Küche tra­fen sie sich. Die Uhr war halb drei. Sie sah etwas Wei­ßes am Kü­chen­schrank ste­hen. Sie mach­te Licht. Sie stan­den sich im Hemd ge­gen­über. Nachts. Um halb drei. In der Küche.

Auf dem Kü­chen­tisch stand der Brot­tel­ler. Sie sah, dass er sich Brot ab­ge­schnit­ten hatte. Das Mes­ser lag noch neben dem Tel­ler. Und auf der Decke lagen Brot­krü­mel. Wenn sie abends zu Bett gin­gen, mach­te sie immer das Tisch­tuch sau­ber. Jeden Abend. Aber nun lagen Krü­mel auf dem Tuch. Und das Mes­ser lag da. Sie fühl­te, wie die Kälte der Flie­sen lang­sam an ihr hoch kroch. Und sie sah von dem Tel­ler weg.

Ich dach­te, hier wäre was, sagte er und sah in der Küche umher.

Ich habe auch was ge­hört, ant­wor­te­te sie, und dabei fand sie, dass er nachts im Hemd doch schon recht alt aus­sah. So alt wie er war. Drei­und­sech­zig. Tags­über sah er manch­mal jün­ger aus. Sie sieht doch schon alt aus, dach­te er, im Hemd sieht sie doch ziem­lich alt aus. Aber das liegt viel­leicht an den Haa­ren. Bei den Frau­en liegt das nachts immer an den Haa­ren. Die ma­chen dann auf ein­mal so alt.



Du hät­test Schu­he an­zie­hen sol­len. So bar­fuß auf den kal­ten Flie­ßen. Du er­käl­test dich noch.

Sie sah ihn nicht an, weil sie nicht er­tra­gen konn­te, dass er log. Dass er log, nach­dem sie neun­und­drei­ßig Jahre ver­hei­ra­tet waren.

Ich dach­te, hier wäre was, sagte er noch ein­mal und sah wie­der so sinn­los von einer Ecke in die an­de­re, ich hörte hier was. Da dach­te ich, hier wäre was.

Ich hab auch was ge­hört. Aber es war wohl nichts. Sie stell­te den Tel­ler vom Tisch und schnipp­te die Krü­mel von der Decke.

Nein, es war wohl nichts, echo­te er un­si­cher.

Sie kam ihm zu Hilfe: Komm man. Das war wohl drau­ßen. Komm man zu Bett. Du er­käl­test dich noch. Auf den kal­ten Flie­sen.

Er sah zum Fens­ter hin. Ja, das muss wohl drau­ßen ge­we­sen sein. Ich dach­te, es wäre hier.

Sie hob die Hand zum Licht­schal­ter. Ich muss das Licht jetzt aus­ma­chen, sonst muss ich nach dem Tel­ler sehen, dach­te sie. Ich darf doch nicht nach dem Tel­ler sehen. Komm man, sagte sie und mach­te das Licht aus, das war wohl drau­ßen. Die Dach­rin­ne schlägt immer bei Wind gegen die Wand. Es war si­cher die Dach­rin­ne. Bei Wind klap­pert sie immer.

Sie tapp­ten sich beide über den dunk­len Kor­ri­dor zum Schlaf­zim­mer. Ihre nack­ten Füße platsch­ten auf den Fuß­bo­den.

Wind ist ja, mein­te er. Wind war schon die ganze Nacht. Als sie im Bett lagen, sagte sie: Ja, Wind war schon die ganze Nacht. Es war wohl die Dach­rin­ne.

Ja, ich dach­te, es wäre in der Küche. Es war wohl die Dach­rin­ne. Er sagte das, als ob er schon halb im Schlaf wäre. Aber sie merk­te, wie un­echt seine Stim­me klang, wenn er log.

Es ist kalt, sagte sie und gähn­te leise, ich krie­che unter die Decke. Gute Nacht.

Nacht, ant­wor­te­te er noch: ja, kalt ist es schon ganz schön. Dann war es still. Nach vie­len Mi­nu­ten hörte sie, dass er leise und vor­sich­tig kaute. Sie at­me­te ab­sicht­lich tief und gleich­mä­ßig, damit er nicht mer­ken soll­te, dass sie noch wach war. Aber sein Kauen war so re­gel­mä­ßig, dass sie davon lang­sam ein­schlief. Als er am nächs­ten Abend nach Hause kam, schob sie ihm vier Schei­ben Brot hin. Sonst hatte er immer nur drei essen kön­nen.Du kannst ruhig vier essen, sagte sie und ging von der Lampe weg. Ich kann die­ses Brot nicht so recht ver­tra­gen. Iss doch man eine mehr. Ich ver­trag es nicht so gut. Sie sah, wie er sich tief über den Tel­ler beug­te. Er sah nicht auf. In die­sem Au­gen­blick tat er ihr leid.

Du kannst doch nicht nur zwei Schei­ben essen, sagte er auf sei­nen Tel­ler. Doch. Abends ver­trag ich das Brot nicht gut. Iss man. Iss man. Erst nach einer Weile setz­te sie sich unter die Lampe an den Tisch.

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